Die Angeklagte schweigt vor Gericht. Seit zwei Jahren. Während mehr oder weniger Informierte über Zusammenhänge spekulieren, schweigt diejenige, die es am besten wissen muss. Das ist anstrengend.
Einige Menschen finden es schon unerträglich, nur einzelne Sätze über sich hören zu müssen, ohne etwaige Missverständnisse richtig stellen zu können. Beate Zschäpe hört seit zwei Jahren nichts anderes; richtig stellen kann sie nichts, denn sie schweigt.
Das wird gesundheitlich für sie mehr und mehr zur Belastung, sagt der renommierte psychiatrische Sachverständige Norbert Nedopil. Als Symptome habe der Gutachter
"Einbußen an Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer (gemeint wohl: Einbußen an Ausdauer, Anm. d. Verf.), Erschöpfung und Müdigkeit mit psychosomatischen Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen und Röschenflechte"festgestellt. Die Gesichtszüge entgleiten ihr, wo sie früher noch alles unter Kontrolle gehabt habe.
Schuld daran sei die Verteidigung mit ihrer Strategie des Schweigens. Denn die Angeklagte hätte "durchaus Redebedarf" und würde gerne "mehr über sich und ihre Lebenssituation berichten". Aber sie darf nicht. Der Sachverständige empfiehlt, sie möge ihr "fassadenhaftes Rollenspiel" zugunsten besserer Gesundheit aufgeben.
Wenn man den Bericht in der FAZ so liest, hört sich das an, als mache der Gutachter die Verteidigungsstrategie verantwortlich für den Gesundheitszustand der Angeklagten. Wenn das mal kein Schrei nach einer Ablehnung wegen Befangenheit ist. Denn mit dieser Äußerung dürfte der Gutachter seine Kompetenz weit überschreiten. Überdies zeugt dieses Kausalitätsverständnis von einer etwas verzerrten Denkweise: Die Belastung ist der Prozess, nicht die Wahrnehmung eigener Rechte.
Wenn man eigene Rechte nicht mehr wahrnehmen kann, ohne dadurch gesundheitliche Einbußen zu erleiden, dann ist vielleicht mit dem Umfeld etwas nicht in Ordnung.
Das ist doch der Sinn eines jeden Prozesses, den vermeintlichen bzw. tatsächlichen Delinquenten mürbe zu machen.
AntwortenLöschenMürbe machen dürfte kaum gesundheitsfördernd sein. Meist das Gegenteil.