Alle Jahre wieder, wenn mal wieder ein Ball in Wembley-Manier vor, hinter oder auf der Torlinie gelandet ist und der Schiedsrichter das nicht richtig erkannt hat, schreien Schiedsrichter, Volk und Funktionäre nach einer technischen Lösung. So geschehen zuletzt Samstag am 1. Spieltag der Fußball-Bundesliga nach dem Spiel TSG 1899 Hoffenheim - 1. FC Nürnberg. Hoffenheim hatte ein klares Tor erzielt, alle hatten es spätestens im Fernsehen gesehen, nur der Schiedsrichter im Spiel eben nicht.
Hier auch im Bild schön zu sehen. Pech gehabt, aber Pech ist in einer hochtechnisierten Welt nicht mehr en vogue.
Der neueste Schrei ist daher der so genannte "Chip im Ball". Der soll piepen, wenn der Ball hinter der Linie war. Denn "
solange Menschen urteilen und kein Chip im Ball ist, können solche Fehler passieren " wird der zerknirschte Unparteiische zitiert. Trainer und Präsident des betroffenen Vereins stimmen ein. Nur einer bleibt vorerst unbeugsam: Der allmächtige Präsident der FIFA, der
Herr Blatter, wehrt sich (noch) gegen derartigen technischen Kokolores.
Und da hat er Recht. Zwar beklagen die Beteiligten mit schöner Regelmäßigkeit die Notwendigkeit des technischen Gedöns', aber darüber, wie das eigentlich funktionieren soll, hat sich anscheinend noch niemals jemand Gedanken gemacht. Hier kann der Jurist weiter helfen:
Nehmen wir mal an, es gäbe einen Chip im Ball. Dann müsste immer noch jemand auf Tor entscheiden, wenn der Chip piept. Das wäre nach wie vor der Schiedsrichter. Dazu bräuchte man eine strenge Beweisregel à la Otto Rehagel: Tor ist, wenn der Chip piept. Der Schiedsrichter müsste dann nach dem Reglement
gezwungen sein, auf Tor zu erkennen.
Bliebe dem Schiedsrichter gleichwohl ein Entscheidungsspielraum, könnte man sich den Chip nämlich sparen.Wie heißt es oben im Zitat: Solange Menschen urteilen..., können solche Fehler passieren. Hätte der Schiedsrichter hier eine Wahl, gäbe es dieselben Diskussionen wie jetzt, nur auf einer abgeleiteten Ebene: Die Spieler würden dann nicht mehr darüber diskutieren, ob der Ball im Tor war, sondern darüber, ob der Schiedsrichter dem Chip glauben soll oder nicht. Das würde die Situation nicht verbessern, sondern eher verkomplizieren, wäre also sinnlos. Erforderlich wäre also das, was der Jurist eine
gebundene Entscheidung nennt, im Gegensatz zur Ermessensentscheidung.
Wenn man einmal soweit gedacht hat, sollte es leicht fallen, worauf alles hinausläuft: Irgendwann wird ein Chip piepen, obwohl der Ball nicht im Tor war. Alle werden es gesehen haben, und der Schiedsrichter wird trotzdem auf Tor entscheiden
müssen, denn so wird die Regel sein. Und spätestens dann sollte auch dem Dümmsten auffallen, dass man heimlich, still und leise den Sinn des Spiels pervertiert hat: Dessen Sinn wäre dann nämlich nicht mehr, ein Tor zu erzielen, sondern einen Chip zum Piepen zu bringen.
Von den sagenhaften Manipulationsmöglichkeiten haben wir da noch gar nicht gesprochen. Vielleicht entscheiden dann Hacker, wann Tor ist und wann nicht. Oder die NSA.
Und deshalb hat Sepp Blatter Recht, und alle anderen haben Unrecht: Der Chip im Ball wäre der Tod des Fußballs. Lasst das bleiben!