Vom mündigen Bürger wird erwartet, dass er seine Entscheidungen selbst trifft. Mittlerweile kann sich jeder bei Bedarf in fast allen Lebensbereichen fachkundiger Hilfe bedienen, ob er dies aber tut, entscheidet wiederum nur jeder allein. Das Problem ist das subjektive Empfinden des Bedarfs.
Mit soviel Freiheit ist mancher überfordert. Das Ergebnis ist Zaudern; die Kollegin Braun beschreibt diesen Typus hier. Der Entscheidungsträger verfängt sich in einer tückischen Schleife: Selbst entscheiden, was zu tun ist, kann er nicht. Sich entscheiden, ob er jemanden fragen soll, mag er aber auch nicht. Was tun?
Der König der Zauderer weiß Rat: Er fragt einfach jemanden, ob er jemanden fragen soll. Und was läge da näher, als denjenigen zu fragen, den man gefragt hätte, wenn man sich hätte entscheiden können, jemanden zu fragen. In der Praxis sieht das dann so aus:
Der (potentielle) Mandant fragt den Anwalt, ob er einen Anwalt brauche. Und manchmal fügt er hinzu: "Aber bitte geben Sie mir eine ehrliche Antwort!"
Stellen Sie sich mal vor, sie gingen in den Sanitärfachhandel und fragten den Verkäufer, ob sie vielleicht eine neue Toilettenschüssel bräuchten. Die alte sei eigentlich noch ganz gut, aber andererseits auch etwas abgenutzt. Wie das denn so sei mit Toilettenschüsseln. Weiß man ja nicht, kennt man sich ja nicht mit aus. Was meinen Sie denn als Fachmann dazu?
Als Kunde werden Sie da entweder an einen normalen Menschen geraten; dann wird der sie verwirrt anstarren und fragen, was sie eigentlich wollen. Muss doch schließlich jeder selbst wissen, was er will. Oder Sie geraten an ein Verkaufstalent, der es versteht, ihre Notlage auszunutzen. Der wird dann vielleicht sagen:
"Ja selbstverständlich brauchen sie eine neue Toilettenschüssel! Man sollte die Toilettenschüssel schon aus hygenischen Gründen spätestens alle drei Jahre auswechseln! Von den ästhetischen Gründen mal ganz abgesehen! Auch Toilettenschüsseln sind schließlich einer Mode unterworfen. Wie alt war ihre nochmal?"
Psychologisch ist es wohl zumeist so, dass derjenige, der Hilfe sucht, bereits beschlossen hat, dass er sie braucht. Nur mancher kennt sich halt nicht so genau und versteht sich nicht. Aber wer soll ihn verstehen, wenn er sich schon selbst nicht versteht?
Rätselhaft ist auch, warum man überhaupt einen Anwalt um Rat fragen soll.
AntwortenLöschenWeiß doch jeder, dass Anwälte in der Regel (Ausnahmen gibt es) bei jeder Beratung vor allem an ihr eigenes Risiko denken. Um eine Falschberatung von vornherein zu vermeiden, geben sie erst gar keine Handlungsempfehlung ab, sondern zählen nur Risiken auf. Das können sie vollkommen risikolos tun (und abrechnen), es hilft aber nichts.
Es ist eben nicht jeder ein mündiger Bürger.
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