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Donnerstag, 7. Juli 2011

So machen es die Versicherer

Es hat sich ein Autounfall mit Sachschaden ereignet. Die Schuldfrage ist unstreitig. Der eine verlangt also vom anderen und dessen Versicherer Schadenersatz. Alles ganz normal - bis dahin. Aber dann fängt der Versicherer an, auf eigene Faust zu ermitteln, denn: zahlen - nein, das will er nicht.

Als erstes findet der Versicherer seinen eigenen Versicherungsnehmer nicht. Das ist eigentlich nicht das Problem des Anspruchstellers, aber man kann es sich ja mal merken. Nach längerer Suchaktion stößt der Versicherer darauf, dass der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug für die Unfallfahrt an einen Dritten verliehen hatte. Das ist ein schöner Ansatzpunkt, also ermittelt man auch mal in diese Richtung, findet aber auch dort nichts. Aber zahlen: nein, das will man nicht.

Weil jetzt bald gar nichts mehr hilft, behauptet man, der Unfall wäre fingiert worden und weigert sich deshalb, zu zahlen. Der Betrug ergäbe sich aus einem Gutachten, das man auf eigene Faust eingeholt hat und das dem vom Anspruchsteller eingeholten Gutachten in wesentlichen Punkten widerspricht.

Also sieht sich der Anspruchsteller gezwungen, vor Gericht zu gehen und verklagt Fahrer und Versicherer. Im Klageverfahren trägt der Versicherer nunmehr vor, ein von ihm eingeschalteter Detektiv hätte ermittelt, der Anspruchsteller und der eigene Versicherungsnehmer hätten sich bereits vor dem Unfall gekannt. Der Versicherer beantragt Klagabweisung und erstattet Strafanzeige wegen gemeinschaftlichen Betruges gegen den Anspruchsteller und den Fahrer.

Nachdem der Versicherer die zivilrechtliche Klage auf diese Art und Weise gewonnen hat, drängt er bei der Staatsanwaltschaft auf Verfolgung. Da steht die Staatsanwaltschaft Gewehr bei Fuß und erhebt zügig Anklage gegen beide. Doch da drängen sich einige Fragen auf:

Warum sollten die Beteiligten eines fingierten Unfalles sich gegenseitig verklagen, wenn sie es doch angeblich gemeinschaftlich auf das Geld des Versicherers abgesehen haben? Das wäre nicht nur unsinnig, sondern auch ziemlich ungeschickt, beraubte man sich doch des besten aller Zeugen, wenn man den eigenen Komplizen verklagte. Außerdem ist mittlerweile nachgewiesen, dass ein Unfall tatsächlich stattgefunden hat, nur lassen sich möglicherweise nicht alle Schäden eindeutig zuordnen.

Glücklicherweise findet sich ein kritischer Richter, der die Staatsanwaltschaft im Zwischenverfahren zu weiteren Ermittlungen zwingt, z. B. durch Vernehmung des Detektives, der angeblich die Bekanntschaft zwischen Anspruchsteller und Halter ermittelt haben soll. Und siehe da: Eine Person des vom Versicherer im Klageverfahren benannten Namens ist nicht auffindbar und in Deutschland unbekannt. Mit einer einzigen Besichtigung des Unfallortes lassen sich alle Unstimmigkeiten des Gutachtens auf einmal stimmig erklären.

Innerhalb eines etwa eineinhalb Jahre dauernden Zwischenverfahrens zerbröselt so ziemlich alles, was der Versicherer im Zivilverfahren vorgetragen hat, bis das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens schließlich mangels hinreichenden Tatverdachts ablehnt.

Seinen Schaden aber wird der Anspruchsteller nie ersetzt bekommen, da hierüber bereits rechtskräftig vom Zivilgericht entschieden wurde.

Wie gut, dass es eine Pflichthaftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge gibt. Dumm nur, dass die Versicherer einfach so ungern zahlen.






Mittwoch, 17. November 2010

Stell Dir vor es ist Recht und keiner hört hin

Der Mandant soll gemeinschaftlich mit einem Mitbeschuldigten einen Autounfall vorgetäuscht haben, um den Versicherer zu schädigen. Das kommt häufig vor und ist allgemein als Autobumserei bekannt. Der Mandant als Geschädigter des Unfalls hatte den Unfallgegner und dessen Versicherer auf Schadenersatz verklagt und ein Sachverständigengutachten beigefügt.

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige meinte, dass könnte alles so nicht gewesen sein, worauf der Mandant auf anwaltlichen Rat seine Klage zurückgenommen und auf den geltend gemachten Anspruch sogar verzichtet hat.

Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Betruges. Dagegen fällt mir allerlei ein, z. B. dass die Klagerücknahme wohl ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch ist, § 24 Abs. 1 StGB. Diese Vorschrift wird von der Staatsanwaltschaft eigentlich nie angewendet; viele Staatsanwälte, die man darauf anspricht, kennen diese Vorschrift nicht einmal (mehr). Offenbar haben sie diese Norm im Verfolgungsrausch erfolgreich verdrängt, denn im Studium ist es eine der zentralen Normen, auf die man acht geben sollte.

Also bekommt die Staatsanwaltschaft von mir eine fünfseitige Stellungnahme im Vorverfahren, mit der ich die rechtlichen Voraussetzungen des Rücktritts ausführlich darlege, den Sachverhalt darunter subsumiere und das Ganze mit Rechtsprechung unterlege.

Drei Wochen später wird dem Mandanten die Anklageschrift zugestellt, von der Problematik darin kein Wort. Das verwundert nur mäßig, denn der Staatsanwalt bestätigt auf Nachfrage, dass er die Stellungnahme der Verteidigung nicht gelesen habe. Davon war ich ausgegangen, aber die Offenheit verwundert dann doch. Gerade als neutrale Ermittlungsbehörde sollte man sich von den Rechtsansichten anderer um gar keinen Preis beirren lassen, deshalb ignoriert man sie am besten ganz. Das war jetzt übrigens Sarkasmus.

Was nutzt einem ein Anspruch auf rechtliches Gehör eigentlich, wenn dann doch keiner hinhört? Wenn es im Gesetz steht, aber in der Wirklichkeit keinen interessiert?

Einziger Vorteil: Jetzt liegt die Sache bei Gericht, und wenn da irgendwann mal jemand auf die Idee kommen sollte, das Gesetz anzuwenden, dann gibt es immerhin Geld. Irgendwann.