Eigentlich eine klare Sache, aber dieses Mal hat die Verteidigung einen Trumpf im Ärmel: Der Mandant hatte am Tattag seine Hand aufgrund eines Splitterbruchs geschient, genagelt und im Gips. Die in der Hauptverhandlung vorgelegten Bilder beweisen es. Damit scheidet der Mandant als Täter aus. Alle Zeugen haben sich geirrt.
Das sollte Staatsanwaltschaft und Gericht eigentlich Anlass genug sein, mal wieder über den Beweiswert so genannter Wahllichtbildvorlagen - Reihen von Photos zuvor irgendwann mal auffällig gewordener Personen - ins Grübeln zu kommen. Deren Beweiswert ist nämlich praktisch null. Es ist kaum jemals möglich, einen Menschen zweifelsfrei anhand eines einzigen Photos wieder zu erkennen. Aber weil es so schön wäre, wenn das doch ginge, halten Polizei und Staatsanwaltschaft wacker daran fest.
Dieses Phänomen nennt man in der empirischen Sozialforschung "availibility bias": Wenn man in Paris ist, aber nur einen Stadtplan von London hat, benutzt man eben den. Hilft zwar nicht, aber man kann es sich wenigstens einbilden. Besser als nichts.
Ein glücklicher Zufall, dass dem Mandanten hier sein Armbruch zu Hilfe kam - ansonsten hätte das Gericht ohne Zweifel auf dieser "Tatsachengrundlage" verurteilt. Und was macht die Staatsanwaltschaft? Sie wirft der Verteidigung vor, die entlastenden Dokumente nicht schon früher vorgelegt zu haben. Als hätten wir keine Unschuldsvermutung, sondern eine Schuldvermutung.
Aber wen wundert's.