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Donnerstag, 15. Dezember 2011

Das ganze Leben ist ein Glücksspiel

Pokern ist ein Glücksspiel. Der BGH hat gesprochen, berichtet wurde unter anderem hier. Eine seltsame Entscheidung.

Der Leitsatz des BGH ist leider schon sprachlich völlig unverständlich. Er lautet:

"Ob ein Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV vorliegt, beurteilt sich nach den durchschnittlichen Fähigkeiten eines Spielers; unerheblich ist, ob professionelle Spieler oder geübte Amateure, die sich gegebenenfalls auch Lehrbuchwissen angeeignet haben, ihre Erfolgschancen steigern können."

Der erste Satz - der vor dem Semikolon - ist inhaltsleer; ob ein Glückspiel vorliegt, soll sich danach "nach den durchschnittlichen Fähigkeiten" beurteilen.

Völlig unklar, was das heißen soll. Es kann sich ja nur auf die Masse der Spieler beziehen, aus der ein Durchschnitt gebildet wird. Und dann? Je mehr Blöde irgendwo mitspielen, desto eher wird deren Betätigung zum Glücksspiel? Wenn Albert Einstein würfelt, hebt er selbst Kniffel auf das Niveau eines Geschicklichkeitsspiels? (Ja, Einstein ist tot, weiß ich. War ein Beispiel. Diente der Verdeutlichung.)

Wer hofft, der BGH würde einem das in seiner Entscheidung erklären, wird enttäuscht. Die Gründe beschränken sich auf zwei Absätze, hiernach wörtlich wieder gegeben:

"In Übereinstimmung mit jüngerer Rechtsprechung der Oberverwaltungsgericht (...) hat das Berufungsgericht angenommen, Poker in der Variante "Texas hold' em" sei ein Glücksspiel gemäß § 3 Abs 1 GlüStV, weil der Gewinn überwiegend vom Zufall abhänge (grammatisch korrekt: abhinge, Anm. d. Verfassers). Denn der Gewinn eines Spielers richte sich danach, ob seine Mitspieler früher ausstiegen als er und welche Karten sie letztlich offenlegten. Auch der Erfolg eines Bluffs sei von der aus Sicht des Spielers, der dieses Mittel nutze, ungewissen Reaktion der Mitspieler abhängig. Zwar stünden die im Falle des Showdowns schließlich aufzudeckenden Karten bereits vorher fest, der jeweilige Spieler könne davon aber keine sichere Kenntnis haben."

Der erste Satz dieser "Begründung" lautet zusammengefasst, dass Glück sei, was vom Zufall abhinge. Das ist eine Tautologie und somit aussagelos. Das der Erfolg auch vom Verhalten anderer abhängt, ist dagegen eine Binse und schon denklogisch nicht geeignet, ein Glücksspiel zu begründen.

Mit dieser Argumentation würde selbst Schach zum Glücksspiel, weil man ja nicht weiß, ob der Gegner vielleicht irgendwann aufgibt. Auch beim Elfmeter im Fußball weiß ich nicht, wohin der Torwart springen wird, also ist der Schütze "von der ungewissen Reaktion seines Mitspielers" abhängig. Ergo wäre auch Fußball ein Glücksspiel.

Aber der BGH hat seiner Entscheidung ja noch einen zweiten Absatz gewidmet:

"Die Revision zeigt keine Rechtsfehler dieser tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts auf. Dabei ist von Bedeutung, dass entsprechend dem gesetzlichen Schutzzweck für die glücksspielrechtliche Beurteilung nicht mehr als durchschnittliche Fähigkeiten eines Spielers maßgeblich sind (...). Unerheblich ist, ob professionelle Spieler oder geübte Amateure, die sich gegebenenfalls auch Lehrbuchwissen angeeignet haben ihre Erfolgschancen steigern können. Das Berufungsgericht hat auch die Möglichkeit eines bewussten Bluffs und deren Auswirkungen auf das Spielerverhalten berücksichtigt. Soweit die Revision im Ürigen auf ihren instanzgerichtlichen Vortrag verweist, versucht sie lediglich, ihre Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen."

Da ist sie wieder, die unverständliche Formulierung mit den durchschnittlichen Fähigkeiten. Erläutert wird sie nicht. Unerheblich soll aber sein, dass man Fähigkeiten erwerben kann, die die eigenen Gewinnchancen erhöhen. Das überrascht. Der Umstand, dass man etwas erlernen kann, soll dem Glücksspielcharakter nicht entgegenstehen? Warum soll etwas Glück sein, dass man durch eigene Leistung beeinflussen kann? Diesen diametralen Gegensatz hätten wir gerne aufgelöst gesehen, steht er doch jeglicher Denklogik entgegen - Pustekuchen.

Das war es nämlich schon an Begründung vom höchsten Gericht. Der Rest ist Formalismus, Zulässigkeitsgeschwafel und ein bisschen Europarecht.

Ach ja: Und der dem Strafrechtler wohlbekannte Satz, der immer kommt, wenn man etwas sonst nicht begründen kann: Der Petitent setzte "seine Tatsachenwürdigung an die Stelle" derer des Gerichts. Eine Hohlphrase ist auch das - wenn die Tatsachenwürdigung des Petitenten richtig und die des Gerichts falsch ist, dann ist entsprechend zu entscheiden. Nur darauf kommt es an und das muss man begründen.

Von alledem im Urteil: Kein Wort. Setzen, sechs. Und diese sechs war nicht gewürfelt.

Donnerstag, 10. November 2011

ICH habe IHR Recht, aber SIE können es bei MIR kaufen

Wer nicht wirbt, der stirbt.

Dieses Henry Ford (1863 - 1947) zugeschriebene Zitat galt für Rechtsanwälte lange Zeit nicht. Denn den Rechtsanwälten war Werbung standesrechtlich verboten. Trotzdem sind die Rechtsanwälte damals nicht etwa gestorben, sondern lebten sogar recht gut, in der Regel sogar wesentlich besser als heute. Vielleicht wusste Henry Ford das nicht, oder vielleicht ist das Zitat auch doch gar nicht von ihm.

1987 war bekanntlich Schluss mit den Standesrichtlinien und seither ist auch das Werbeverbot der Rechtsanwälte auf dem Rückzug. Mittlerweile dürfte der Kollege Kleine-Cosack die herrschende Meinung vertreten, der ein Werbeverbot für Rechtsanwälte für "weitgehend rechtspolitisch verzichtbar" hält. Laut Kleine-Cosack dürfte bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung vom heute in § 43b Bundesrechtsanwaltsordnung geregelten Werbeverbot praktisch nichts übrig bleiben. Und da haben wir über mögliche europarechtliche Gesichtspunkte der Werbefreiheit noch gar nicht gesprochen.

Da verwundert es, dass sich einige Rechtsanwaltskammern offenbar ein erbittertes Rückzugsgefecht gegen die Werbefreiheit leisten. Ein schönes Beispiel verdanken wir dem Kollegen Sturm, der es in seinem Blog hier genüsslich darbietet. Und sein Werbeslogan ist wirklich hübsch. "Mit uns müssen sie kein Recht haben, um Recht zu bekommen", umschreibt der Kollege auf originelle Art und Weise den Umstand, dass man vor Gericht mit Rechtsanwalt eben mehr Chancen hat als ohne. Diese Information allein dürfte für viele Menschen doch schon von großen Wert sein. Sachbezogen ist sie allemal und originell noch obendrein: Sie spielt elegant mit der alten Binsenweisheit, wonach Recht haben und Recht bekommen zwei verschieden Dinge sind.

Originalität und Humor sind in der Werbung selten genug, aber Teile der Anwaltschaft möchten beides offenbar auch noch systematisch ausrotten. Das ist schade und auch kaum im Interesse der Anwaltschaft, die die Kammern nicht nur verwalten, sondern auch vertreten sollen.

Da ich in der Stadt lebe, in der bewiesenermaßen die beste Werbung Deutschlands gemacht wird, habe ich mich in der Überschrift auch einmal an einem Slogan versucht.

Dienstag, 5. Juli 2011

Was tun, wenn Internet nicht liefert?

Im Internet gibt es ein "Rechtsportal", dass mit dem Slogan "schnell, sicher, günstig" wirbt. Das klingt eher nach Damenbinden als nach Recht, aber bitte. Wem's gefällt. Interessanter wäre zu erfahren, was der Anbieter mit "sicher" wohl gemeint haben könnte. Wie sicher "sicher" ist, weiß man je spätestens seit der Rente. Mir persönlich wäre richtig lieber. Aber bitte.

Denn bei den Anwendern dieser Plattform handelt es sich um derzeit angeblich über 300.000 "zufriedene" Nutzer. Ob es auch unzufriedene Nutzer gibt, erfährt man nicht.

Angemeldete Nutzer können Fragen stellen; die ebenfalls eingeloggten Anwälte haben dann die Möglichkeit, diese Fragen für einen vom Nutzer angegebenen Betrag zu beantworten. Wer jemals als Berater gearbeitet hat, der weiß, wie schwierig es für viele Menschen schon im richtigen Leben ist, ein Problem in Worte zu kleiden. Im Internet, wo die Kommunikation dann doch eher zähflüssig läuft, wird das Frage-Antwort-Spiel zur Farce. Unvergessene Klassiker wie "Was tun, wenn Chinese nicht liefert" sind die Folge.

Das könnte man noch als drollige Ausgeburt eines fehlgeleiteten Mediums belächeln, würde mit dem System nicht auch noch derart Schindluder getrieben, wie es offenbar geschieht.

Der durchschnittlich von den Nutzern eingesetzte Betrag liegt bei so etwa 50 EURO. Dafür stellen oberschlaue Zeitgenossen gerne ganze Fragekataloge mit kompliziertesten gerne familien- oder erbrechtlichen Konstellationen ins Netz und warten auf Antwort. Meistens melden sich dann zunächst einige Rechtsanwälte zu Wort und weisen schüchtern darauf hin, dass der eingesetzte Geldbetrag und das Ausmaß der Frage nicht recht in Einklang zu bringen seien. Aber mit teuflischer Sicherheit findet sich früher oder später ein unsolidarischer Kollege, der die Frage trotz mehrfachen Hinweises dann doch beantwortet. Vielleicht ist das ja die "Sicherheit", mit der der Anbieter wirbt. Für die einsamen Mahner bleibt allein der Trost, dass die Antwort dann meist auch nicht mehr wert ist als die eingesetzten 26 Euro.

Wer aber jetzt gedacht hat, der antwortende Rechtsanwalt hätte den schmalen Einsatz durch seine Antwort im Säckel, der irrt. Dem Nutzer wird dieser Betrag zwar zunächst abgebucht, er kann diese Abbuchung aber ohne Angabe von Gründen stornieren. Dann bleibt dem Rechtsanwalt nur die Möglichkeit, den zahlungsunwilligen Nutzer im integrierten Forum zu denunzieren.

Wer sich das eine Weile lang antut, dem bleibt eine Erkenntnis: Wenn seriöse Rechtsberatung eine Zukunft hat, dann liegt diese jedenfalls nicht im Internet.

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Das Rechtsempfinden der Frauen

Entgegen der Auffassung, die Frau Alice S. in der BILD-Zeitung vertritt, gibt es keine zwei Arten von Rechtsempfinden, sondern unendlich viele. Diese Arten sind insbesondere auch nicht geschlechtsspezifisch, wie Frau S. behauptet. Jedenfalls wären mir seriöse "wissenschaftliche Untersuchungen" hierzu nicht bekannt, auch wenn Alice S. einfach mal so in den Raum stellt, dass nämlich Frauen Gerechtigkeit wollten, Männer sich hingegen am geschriebenen Recht orientierten.

Aus diesem Käse lässt sich klasse wieder die alte Emanzenmasche stricken: Wer hat die Gesetze gemacht? - Die Männer natürlich. Wer bewacht jetzt deren Einhaltung? - Die Männer natürlich. Und wer irrt sich dabei ständig: Selbstverständlich die Männer. Denn die metaphysische Einsicht in das moralisch Gute schlechthin, in die Gerechtigkeit, die haben nur: Die Frauen. Deshalb haben Frauen immer Recht, kriegen es aber nie, wegen der bösen Männer. Arme Alice!

Wer zu mir kommt und Gerechtigkeit will, den schmeiße ich in der Regel raus. Denn Gerechtigkeit ist, wenn ich das größte Stück Kuchen bekomme.

Und weil sich das Rechtsempfinden der meisten so ähnelt, aber so widerläufige Ergebnisse nach sich zieht - im Zweifel so viele, wie es Menschen gibt - darum geht es im Recht eben nicht um das Empfinden, sondern: eben um das Recht. Das Recht an sich, hätte Immanuel Kant vielleicht gesagt. So, wie es geschrieben steht. Im Gesetz, nicht in der BILD.

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Tatort Schundjournalismus

Da ich in der Regel kein Fernsehen gucke, habe ich erst mit einigen Tagen Verzögerung erfahren, dass RTL2 offenbar ein Format ausstrahlt, dass sich "Tatort Internet" nennt. Die weiteren Informationen hätte ich mir selbst mit meiner übelsten Phantasie nicht ausdenken können, aber sie scheinen zu stimmen:

Diese Reality-Show wird produziert von Stephanie Freifrau zu Guttenberg - der Frau frei von Fakten - und moderiert von - man mag es nicht glauben - Udo Nagel, einem ehemaligen bayrischen Polizeibeamten, der von Hamburgs Antwort auf Judge Dredd, Ronald B. Schill, seinerzeit zum Polizeipräsidenten ernannt worden war, ihm später im Amt nachfolgte und im Anschluss einer Sicherheitsfirma vorstand, die derzeit im Verdacht steht, im Auftrag einer Landesbank unliebsamen Arbeitnehmern Kinderpornographie (!) untergeschoben zu haben.

Der Gegenstand dieser - sagt man da noch Reality-Show? - wäre zu meiner Kindheit geeignet gewesen, sämtliche an der Produktion beteiligten Personen für einige Zeit in den Knast zu bringen und dem Sender eine ordentliche Hausdurchsuchung zu bescheren. Über gezinkte Zeitungsanzeigen soll Männern vorgegaukelt werden, sie könnten sich mit einer Dreizehnjährigen zum Sex verabreden und werden dann bei ihren Geschlechtsverkehr-mit-Minderjährigen-Anbahnungsversuchen gefilmt. Allein dieser Modus verstößt gegen so viele Gesetze, dass man kaum weiß, wo man mit der Aufzählung anfangen soll. Das scheint aber niemanden zu interessieren.

Hinter dem ganzen versteckt sich, wie manche mutmaßen, eine perfide Strategie einiger Lobbyisten, mit Hilfe mutmaßlicher Kinderpornographie eine Zensurinfrastruktur zu eigenen Zwecken zu etablieren. Vielleicht ist es aber auch nur grenzenlose Geschmacklosigkeit und Dummheit, gepaart mit etwas pervertiertem Gutmenschentum, das Menschen dazu bewegt, bei so etwas mitzutun.

Wie ich gestern in meinem Stammlokal sah, hat sich auch "Der Stern" diesem fragwürdigen Projekt angeschlossen. Möglicherweise möchte man beweisen, dass Journalismus unterhalb jeder verfügbaren Thekenkante auch ohne gefälschte Tagebücher möglich ist.

Es ist.

Dienstag, 22. Juni 2010

Recht ist keine Kunst, Recht ist Zauberei!

Nicht der Beste hat den Erfolg, sondern der beste Verkäufer. Das gilt nicht nur für Software und Autos, das gilt auch für Rechtsanwälte.

Woran sollte man den besten Rechtsanwalt auch erkennen? An seiner Leistung etwa? Wenn der Mandant die beurteilen könnte, wäre er selbst der bessere Rechtsanwalt. Nein, die Leistung eines Rechtsanwaltes muss dem Mandanten ein ewig Rätsel bleiben.

Und deshalb sucht der kluge Rechtsanwalt nach Symbolen, die die nicht vorhandenen Leistungsmerkmale substituieren können. Es sollten Leistungsmerkmale sein, die seiner potentiellen Mandantschaft vertraut vorkommen. Wer sich gerne mit zahlungskräftigen Mandanten umgibt, sollte möglichst an einem Teakholz-Schreibtisch sitzen und ein teures Kraftfahrzeug fahren. Das mag der Mandant. Das kennt er von zuhause.

Wer nicht in Statussymbole investieren möchte, der sollte sein Tun wenigstens soweit als möglich stilisieren. Die Kollegin Braun rät zu "mehr Drama".

Ich kannte einmal einen Rechtsanwalt, der bestand darauf, man müsse sein wahres Tun gegenüber dem Mandanten gar in eine Rauchwolke mystischen Zaubers hüllen, um echte Mandantenbindung zu erzeugen. Derlei sektiererisches Verhalten nützt nicht nur demjenigen Kollegen, der fachlich eher schwach auf der Brust ist; es hilft gerade auch dem fachlich versierten Rechtsanwalt, seine qualitativ hochwertige Leistung zu vermarkten. Arbeit hingegen ist Nebensache. Arbeit ist Schweiß und Tränen.

Und Schweiß und Tränen will keiner sehen. Holt mir lieber ein Kaninchen!