Donnerstag, 5. Januar 2017
Herr L. twittert
Herr L. ist in der SPD. Und Herr L. twittert gerne.
Nun hat einem Sparkassenmitarbeiter nicht gefallen, was Herr L. da getwittert hat, und er hat Herrn L. deshalb eine E-Mail geschickt. In der E-Mail verleiht der Sparkassenmitarbeiter seiner Hoffnung Ausdruck, dass die SPD bald in der Bedeutungslosigkeit versinken möge und kündigt an, dass er zukünftig die "einzig wahre Partei" wählen werde, was die AfD sei. Die E-Mail schreibt er auf dem Briefkopf der Sparkasse.
Herr L veröffentlicht daraufhin die E-Mail über Twitter (näheres hier) und erntet einen Shitstorm erzürnter AfD-Wähler und anderer. Warum eigentlich? Oder anders:
Darf man E-Mails veröffentlichen?
Ich habe mal im Internet nachgesehen und unter anderem zwei etwas ältere Veröffentlichungen zu dem Thema gefunden: Die erste stammt vom Kollegen Stadler, die zweite stammt von den mir nicht bekannten Kollegen Schlun & Elseven. Beide Beiträge erscheinen durchaus profund recherchiert, beide beziehen sich auf aktuelle Rechtsprechung; kurz zusammegefasst kommt der erste zum Ergebnis "ja, man darf", der zweite zu dem Ergebnis, "nein, man darf nicht". Die Argumentationen sind sich nicht sehr ähnlich. Es scheint also ein Problem zu geben.
Fangen wir mal anders an: Durfte denn der Sparkassendirektor dem Herrn L. so eine E-Mail schreiben? Das könnte etwas mit Recht auf Meinungsäußerung zu tun haben, aber der Herr L. hat genau so ein Recht, mit den Meinungen anderer nicht behelligt zu werden. Beleidigend war die Nachricht zwar nicht, höchstens lästig. Das reicht zumindest, sie nicht dulden zu müssen. Soweit die E-Mail an seinen Privat-Account gerichtet war (und nicht an einen Partei-Account) hätte Herr L. wohl einen Unterlassungsanspruch gehabt. Der hätte sich übrigens - zumindest auch - gegen die Sparkasse gerichtet, der die Meinungsäußerung aufgrund des äußeren Eindrucks eindeutig zuzuordnen war.
Deshalb hat der Sparkassenmitarbeiter jetzt wohl Ärger mit seinem Arbeitgeber bekommen - dafür kann aber Herr L. nichts. Die Ursache hierfür hat der E-Mail-Schreiber ganz allein gesetzt. Gegenüber der Möglichkeit einer Unterlassungsverfügung gegen die Sparkasse könnte die Veröffentlichung der E-Mail für deren Autor sogar das kleinere Übel gewesen sein. Herr L. hat daher insoweit durchaus Recht, wenn er in seinen weiteren Stellungnahmen meint, wer ihn wegen der Veröffentlichung angreife, vertausche "Täter und Opfer".
Aber durfte er denn die Nachricht nun veröffentlichen? Mal anders gefragt: Was könnte es ihm verbieten?
Hier wird immer mal wieder das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 i.V.m Art. 2 Abs. 1 GG genannt - das ist ein Abwehrrecht gegen den Staat (nicht gegen Herrn L.) und scheint mir hier auch inhaltlich eher neben der Sache zu liegen. Schließlich handelt es sich um eine Äußerung, die freiwillig und unaufgefordert abgegeben wurde.
Urheberrechtsschutz dürfte bei dem doch eher banalen Inhalt der Äußerung schon an der fehlenden Schöpfungshöhe scheitern.
Auch vom Postgeheimnis (Art. 10. GG) habe ich schon gelesen; das schützt meines Wissens den Postverkehr, und der endet jedenfalls beim Empfänger.
Wer weitere Einfälle hat, sei herzlich eingeladen, sie gesittet und in höflichem Tonfall zu äußern. Bis auf weiteres werden wir aber wohl davon auszugehen haben, dass Herr L. durfte, was er tat. Da war ein Shitstorm wohl wieder mal äußerst unangebracht.
Ick weeß es nich und dit is mir auch egal.
AntwortenLöschenSie meinen - 60 Jahre und zehntausende von Urteilen nach BGHZ 13, 334 - im Ernst, "das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 i.V.m Art. 2 Abs. 1 GG ... ist ein Abwehrrecht gegen den Staat (nicht gegen Herrn L.)"?? Da fragt man sich doch, hinter welchem Mond Sie Ihr Juristenleben eigentlich verbracht haben.
AntwortenLöschenEr hat in der Tat recht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet verfassungsrechtlich seine Grundlage darin. Es ist auch grundsätzlich nur ein Abwehrrecht gegen den Staat. Das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht, das davon zu unterscheidenden ist, wird als sonstiges Recht im Rahmen von § 823 I BGB gesehen.
AntwortenLöschenTrotzdem könnte das APR einschlägig sein, in der Spielart des Recht am eigenen Wortes, das auch das geschriebene Wort schützt. Der Äußernde hat grundsätzlich die Verfügungsgewalt über sein Wort. Natürlich hat am Ende immer eine Abwägung stattzufinden. Ich sehe aber bereits keine schutzwürdigen Interessen des Bankangestellten.
AntwortenLöschenDurfte er denn die Nachricht nun veröffentlichen?
AntwortenLöschennein, OLG Hamburg · Beschluss vom 4. Februar 2013 · Az. 7 W 5/13
Dass die Hamburger (sowohl LG als auch OLG) es nicht so Presse- und Meinungsfreiheit haben ist bekannt. Der Beschluss ist auch inhaltlich grober Unfug und ohnehin nicht übertragbar: Das OLG stellt nur auf ein Überwiegen des öffentlichen Informationsinteresses ab. Das ist im Hinblick auf die Meinungsfreiheit nicht haltbar, vgl. BVerfG Beschluss vom 18. Februar 2010 - 1 BvR 2477/08. Die Meinungsfreiheit dient keinem Informationsinteresse der Öffentlichkeit; sie ist keine dienende Freiheit, sondern besteht ihrer selbst Willen. In unserem Fall hat der SPD-Politiker seine Meinung geäußert und die Mail zur Grundlage hierfür gemacht. Der Rest ist eine Abwägungsfrage Meinungsfreiheit gg. APR. Dass der Sparkassenmitarbeiter seine Neutralitätspflicht verletzt hat, dürfte Lauer in diesem Fall in die Hände spielen.
LöschenDas allgemeine Persönlichkeitsrecht ist eben kein reines Abwehrrecht gegen den Staat, sondern nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte auch ein absolutes Rechtsgut, dass zivilrechtlichen Schutz über § 823 I BGB und § 1004 BGB analog genießt, insofern ist es zwar verkürzt ungenau, aber nicht komplett falsch, das APR als "Rechtsgrundlage" zu nennen. Hoch umstritten und einzelfallabhängig ist die Frage der Interessenabwägung zwischen APR der Briefeschreibers (mit oder ohne e-) und Meinungsfreiheit/ggf. Pressefreiheit des Empfängers, der das Schreiben veröffentlicht.
AntwortenLöschenLustig, dass "Herr L." anonymisiert wird von Herrn Nebgen, aber das Veröffentlichen von Klarnamen etc. durch die öffentliche (Ex-Politiker und Talkshowgast) Person Christopher Lauer kein Problem darstellen soll, weil das APR leider nur ein Abwehrrecht gegen den Staat ist. Was für Verrenkungen ein eigentlich intelligentes Gehirn hinbekommt, wenn das moralische überlegene Bessermenschen-Weltbild erhalten bleiben soll, ist erstaunlich.
AntwortenLöschenNicht alles, was juristisch nicht zu beanstanden ist, ist auch anständig.
AntwortenLöschenIm übrigen: seit wann haben Emails "Briefköpfe"?
Nun, ich bin kein Rechtswisschenschaftler, sondern komme aus den Wirtschaftswissenschaften... als solcher darf ich Ihnen einen Rat mit auf den Weg geben:
AntwortenLöschenIrgendwann lassen sich die Menschen nicht mehr von Modellen oder Normen überzeugen. So illustrig Sie Fehler im Rechtssystem erkennen können, so lustig habe ich auch Fehler in der Wahrnehmung von Mortgage Backed Securities gesehen.
Der Kracher kommt aber immer am Ende: Denn es geht nicht darum, jene zu benennen, die falsch gehandelt haben. Sondern das System als Ganzes steht auf dem Spiel: Bei mir der Kapitalismus, bei Ihnen der Rechtsstaat.
So verniedlichend Ihre Darstellung bisher auch war, könnte man genauso gut sagen: Ein SPD/Piraten Politiker versucht die Existenz eines potenziellen AfD-Wählers bei der Sparkasse qua seiner poltischen Gesinnung zu zerstören.
Hitler und Honecker lassen Grüßen.
Das dies ein SPD-Poltiker durchzieht macht mich ehrlich gesagt fassungslos.