Dienstag, 13. August 2013
Warum ein Chip im Ball Unsinn ist
Alle Jahre wieder, wenn mal wieder ein Ball in Wembley-Manier vor, hinter oder auf der Torlinie gelandet ist und der Schiedsrichter das nicht richtig erkannt hat, schreien Schiedsrichter, Volk und Funktionäre nach einer technischen Lösung. So geschehen zuletzt Samstag am 1. Spieltag der Fußball-Bundesliga nach dem Spiel TSG 1899 Hoffenheim - 1. FC Nürnberg. Hoffenheim hatte ein klares Tor erzielt, alle hatten es spätestens im Fernsehen gesehen, nur der Schiedsrichter im Spiel eben nicht. Hier auch im Bild schön zu sehen. Pech gehabt, aber Pech ist in einer hochtechnisierten Welt nicht mehr en vogue.
Der neueste Schrei ist daher der so genannte "Chip im Ball". Der soll piepen, wenn der Ball hinter der Linie war. Denn "solange Menschen urteilen und kein Chip im Ball ist, können solche Fehler passieren " wird der zerknirschte Unparteiische zitiert. Trainer und Präsident des betroffenen Vereins stimmen ein. Nur einer bleibt vorerst unbeugsam: Der allmächtige Präsident der FIFA, der Herr Blatter, wehrt sich (noch) gegen derartigen technischen Kokolores.
Und da hat er Recht. Zwar beklagen die Beteiligten mit schöner Regelmäßigkeit die Notwendigkeit des technischen Gedöns', aber darüber, wie das eigentlich funktionieren soll, hat sich anscheinend noch niemals jemand Gedanken gemacht. Hier kann der Jurist weiter helfen:
Nehmen wir mal an, es gäbe einen Chip im Ball. Dann müsste immer noch jemand auf Tor entscheiden, wenn der Chip piept. Das wäre nach wie vor der Schiedsrichter. Dazu bräuchte man eine strenge Beweisregel à la Otto Rehagel: Tor ist, wenn der Chip piept. Der Schiedsrichter müsste dann nach dem Reglement gezwungen sein, auf Tor zu erkennen.
Bliebe dem Schiedsrichter gleichwohl ein Entscheidungsspielraum, könnte man sich den Chip nämlich sparen.Wie heißt es oben im Zitat: Solange Menschen urteilen..., können solche Fehler passieren. Hätte der Schiedsrichter hier eine Wahl, gäbe es dieselben Diskussionen wie jetzt, nur auf einer abgeleiteten Ebene: Die Spieler würden dann nicht mehr darüber diskutieren, ob der Ball im Tor war, sondern darüber, ob der Schiedsrichter dem Chip glauben soll oder nicht. Das würde die Situation nicht verbessern, sondern eher verkomplizieren, wäre also sinnlos. Erforderlich wäre also das, was der Jurist eine gebundene Entscheidung nennt, im Gegensatz zur Ermessensentscheidung.
Wenn man einmal soweit gedacht hat, sollte es leicht fallen, worauf alles hinausläuft: Irgendwann wird ein Chip piepen, obwohl der Ball nicht im Tor war. Alle werden es gesehen haben, und der Schiedsrichter wird trotzdem auf Tor entscheiden müssen, denn so wird die Regel sein. Und spätestens dann sollte auch dem Dümmsten auffallen, dass man heimlich, still und leise den Sinn des Spiels pervertiert hat: Dessen Sinn wäre dann nämlich nicht mehr, ein Tor zu erzielen, sondern einen Chip zum Piepen zu bringen.
Von den sagenhaften Manipulationsmöglichkeiten haben wir da noch gar nicht gesprochen. Vielleicht entscheiden dann Hacker, wann Tor ist und wann nicht. Oder die NSA.
Und deshalb hat Sepp Blatter Recht, und alle anderen haben Unrecht: Der Chip im Ball wäre der Tod des Fußballs. Lasst das bleiben!
Also ehrlich, Nebgen, was ist denn zur Zeit wieder los? Die Logik des Beitrags ist einfach absurd ...
AntwortenLöschenEs geht um Fußball! Das rechtfertigt allerhand.
LöschenMit dem Argument könnte man allerdings auch die Geschwindigkeitsmessung abschaffen und (wieder) den Polizeibeamten entscheiden lassen, ob es nun zu schnell war oder nicht.
Wie wär's mit einer Übertorkamera wie beim Eishockey, auf der sich der Schiedsrichter im Zweifelsfall eine Wiederholung anschauen kann?
AntwortenLöschenNon sequitur. Unfassbar schlechte Argumentation, komplett fehlende Logik.
AntwortenLöschenDie Diskussion über Tor oder nicht oder Pech gehabt ist doch das was wir Fans als das Salz in der Suppe bezeichnen.
AntwortenLöschenIm Gegensatz zu amerikanischen Mannschaftssportarten, empfinde ich den Fußball gerade deswegen so angenehm, weil er frei von ständiger technischer Überprüfung ist. Lässt man den Chip oder eine Torkamera zu, wird es bald (wahrscheinlich auch jetzt schon) Stimmen geben, die ein Abseits, einen fälligen Strafstoß oder weiß der Himmel technisch überprüfen lassen wollen. Das hätte zur Folge, dass der Spielfluß dahin wäre, da durchweg unterbrochen würde und dann hieße es nicht mehr: Das Spiel dauert 90 min.! (Wobei der Ball - glaube ich - noch nie so rund war.) Ich gebe schon zu, dass es im Fußball um viel Geld geht, aber das darf bei der schönsten Nebensache der Welt kein Argument sein. Denn irgendwann ging es mal um Sport... Also freuen wir uns lieber auf das von meinem Vorredner angesprochene Salz in der Suppe und akzeptieren Fehlentscheidungen. Sie verändern das Spiel gewiß nicht. Und keine Sorge ob der Fußballungerechtigkeiten. Wir wissen doch was passiert wenn gegen uns entschieden wurde: Lebbe geht weider!
AntwortenLöschenIn diesem Sinne lieb grüßend, stud-iur
P.s.: Schöner Blog Herr Nebgen, lenkt mich viel zu sehr vom Lernen ab.
Klasse Beitrag. Ganz deiner Meinung.
AntwortenLöschenDie FeWaWie-RAe sind schon eine Klasse für sich.
AntwortenLöschenEigentlich ist doch das, was man ändern sollte, ganz einfach zu definieren:
AntwortenLöschenAlles, was ein Schiedsrichter entscheidet, ist richtig, solange das Spiel läuft. Alle Entscheidungen, die Spiel und Spielausgang betreffen, sind endgültig.
Aber alles, was Folgewirkungen (wohlgemerkt: über die reine Entscheidung des aktuellen Spiels hinaus) hat, kann (und sollte) nach dem Spiel in aller Ruhe geprüft werden können.
Das bedeutet, dass man zum Beispiel einen Platzverweis (rote oder gelb/rote Karte) deutlich offener überprüfen können sollte als bisher.
Für das Spiel selbst ist die Entscheidung des Schiedsrichters endgültig. Wenn die betroffene Mannschaft nach einem unberechtigten Platzverweis in Unterzahl verloren hat - Pech gehabt, gleicht sich irgendwann mal wieder aus. Aber ob der betroffene Spieler beim nächsten Spiel auf die Tribüne muss ... das kann man klären und dafür alle Fernsehbilder nutzen, die man auftreiben kann.
Gilt natürlich auch für gelbe Karten, solange eine bestimmte Anzahl zu einer Spielsperre führt. Auch das kann ungerecht sein, wenn einzelne Karten nicht berechtigt sind.
Was aber wichtig ist: in allen diesen Fällen gilt der Grundsatz "in dubio contra reo". Wenn man nicht nachweisen kann, dass der Schiedsrichter falsch entschieden hat, dann hat er eben recht gehabt und der Delinquent behält seine Strafe.
Als nicht-Fußballer erschließt sich mir der Sinn der Diskussion nicht ganz. Ein Chip wird nicht immer Recht haben, das ist ganz offensichtlich. Mit einem Chip kann man auch nicht alle Schiedsrichterentscheidungen überprüfen. Mit einem gut konzipierten Chip kann man allerdings die Treffer-Wahrscheinlichkeit für nicht sofort offensichtliche Tor-Entscheidungen von 50% auf ca. 99% (konservativ geschätzt) erhöhen.
AntwortenLöschenDas ist die technische Seite. Aus juristischer Seite sehe ich kein Erfordernis für eine gebundene Entscheidung. Auch Ermessen muss ja in aller Regel billig und innerhalb gewisser Grenzen ausgeübt werden und es gibt gar Situationen, wo aus der Ermessensentscheidung nur noch eine richtige Möglichkeit verbleibt. Wenn der Ball piept, obwohl er im Mittelfeld liegt, ist mE ein Grund für eine dementsprechende Ermessensentscheidung gegeben. Wenn der Ball piept (oder nicht), und war irgendwie in der Nähe der Torlinie und niemand hat was gesehen, hat das Piepen gleich eine ganz andere Aussagekraft und dementsprechend höheren Einfluss auf die Ermessensentscheidung.
Das Ziel ist ja nicht, die Entscheidung absolut perfekt zu machen, sondern besser als bisher. Und dabei kann Videobeweis und Chip im Ball, am Besten im Verbund, (anders als etwa beim Walking, wo aus gutem Grund keine Technik erlaubt ist) durchaus helfen.