Jemand hat meinen Mandanten bei einer Straftat beobachtet und angezeigt. Nicht als Opfer, nur so. Der aufmerksame Bürger hat zwei handgeschriebene Briefe an die zuständigen Ordnungsbehörden verfasst und sich später auch nach dem Verlauf des Verfahrens erkundigt. Mit Fristsetzung. Von Polizeibeamten spricht er dabei als "Kameraden" und weist ausdrücklich darauf hin, dass das "D" in seiner Adresse für "Deutsche Heimat" stehe.
Bei rechtlich eher mittelmäßigen Aussichten bietet die Akte der Verteidigung also eine Menge Konfliktpotential auf eher sachfernem Gebiet. Wir warten gespannt auf den Zeugen.
Vorab hört das Gericht noch einen Polizeibeamten, der bei der Gelegenheit auch noch einiges über den Anzeigeerstatter zu berichten weiß. Dann wäre der Anzeigeerstatter eigentlich dran, aber das Gericht bittet um ein Rechtsgespräch unter Juristen. Dem verschließe ich mich grundsätzlich nicht, denn meistens bedeutet das nur Gutes für den Mandanten.
Das Rechtsgespräch wird dann eher zu einem längeren Rechtsmonolog des Vorsitzenden Richters, was er zu sagen hat aber ist beachtlich. Ja, er neige der - durchaus strittigen - Auffassung zu, dass mein Mandant sich strafbar gemacht habe. Aber das Zustandekommen des Verfahrens störe ihn erheblich. Auch dass der Anzeigeerstatter - unter korrekter Nennung der einschlägigen Vorschriften - die Beschlagnahme angeblicher Tatwerkzeuge beantragt habe, missfällt dem Gericht. Dafür sei die Staatsanwaltschaft zuständig. Das Wort "Denunziant" fällt nicht.
Hinzu komme weiter, dass der Anzeigeerstatter am Verhandlungstag bereits frühzeitig auf der Geschäftsstelle vorstellig geworden sei und dort im volltrunkenen Zustand beantragt habe, meinen Mandanten während seiner Aussage von der Verhandlung auszuschließen. Schließlich habe der Anzeigeerstatter sich noch beschwert, dass es im Gericht kein Bier und keinen Whiskey gebe.
Dies alles habe im Gericht die Neigung reifen lassen, diesem Zeugen keine Bühne bieten zu wollen. Man überlege, wie man ohne diesen Zeugen auskommen könne. Auch wolle das Gericht nicht verhehlen, dass es den Anzeigeerstatter keinesfalls durch eine eigentlich fällige Verurteilung in seinem Verhalten weiter bestärken wolle. Man könnte sich eine Einstellung gegen Geldauflage vorstellen. 100 Euro.
Wenige später hat es den etwas verdutzten Zeugen mit Dank entlassen.
*gack*
AntwortenLöschendarum liebe ich diesen Beruf.
Schade, dass eine Wiederholung des beschriebenen Vorgangs aufgrund der Geschwätzigkeit eines bloggenden Strafverteidigers, der nicht einmal den Inhalt eines vertraulichen Rechtsgesprächs in einem Strafprozess für sich behalten mag, wieder etwas weniger wahrscheinlich geworden ist (mit Ihnen sowieso nicht, aber eben vielleicht auch nicht mit an sich vertrauenswürdigeren Kollegen).
AntwortenLöschenDer Zeuge bringt mich auf eine gute Idee.
AntwortenLöschenMan könnte doch im Gericht Bier verkaufen ...
Das entlastet die Staatskassen und bringt volle Zuschauerbänke :-)
Das vorgeworfene Delikt würde mich jetzt noch interessieren.
AntwortenLöschen@Gast
AntwortenLöschen1. Keine Namen, kein Datum, keine Details zur Anklage oder den Umständen. Die Vertraulichkeit ist gewahrt.
2. Das Verhalten des Richters wird hier gelobt. Warum sollte das eine Wiederholung unwahrscheinlicher machen?
3. Ich kenne Sie nicht, also kann ich mir kein Urteil erlauben. Es spricht aber vieles dafür, dass Sie ein ziemlicher Ochse sind. Merken Sie was? Nebenbei eingeworfene Beleidigungen sind unhöflich. Hören Sie auf damit.
Ich tippe auf Fahrerflucht.
AntwortenLöschen@Thomas R.: Der rechtsextremistische Zeuge wird "seinen" Fall sehr wohl wiedererkennen, und ebenso alle seine Freunde, denen er davon erzählt hat. Ach, Sie meinen, die lesen alle keine Blogs? Wir wollen es hoffen. Und wir wollen auch hoffen, dass der Vorsitzende ebenfalls keine Blogs liest - jedenfalls nicht dieses - und also seine Kinder weiter ohne Angst draußen spielen lässt.
AntwortenLöschen@ Gast 5.50
AntwortenLöschenIch weiss nicht welches Kraut Sie rauchen, aber ich an Ihrer Stelle würde auf Baldrian umsteigen.