Dienstag, 25. Mai 2010

Schuld und der Finger auf der Herdplatte

Die Rechtsanwäldin berichtet hier über eine rechtsphilosophische Veranstaltung, bei der der Begriff der Schuld unter dem Gesichtspunkt moderner Erkenntnisse der Neurowissenschaft diskutiert wurde.

Über diese Veranstaltung hätte ich gerne mehr erfahren.

Es dürfte einmal mehr auch um die Erkenntnisse aus dem so genannten "Libet-Experiment" des Hirnforschers Benjamin Libet gegangen sein. Ergebnis dieses Experiments aus den sechziger Jahren war - kurz und unwissenschaftlich zusammengefasst - dass sich motorische Handlungen durch ein EEG im Gehirn bereits zu einem Zeitpunkt nachweisen lassen, in dem sich die dazugehörige Person seiner Handlungsentscheidung überhaupt noch nicht bewusst war.

In jüngerer Zeit tauchen wieder vermehrt Meinungen auf, die aus diesem Ergebnis die Nichtexistenz des freien Willens schlussfolgern. Wenn man nicht weiß, was man tut, kann man schließlich auch nicht dafür bestraft werden. Damit wäre das Schuldstrafrecht wohl erledigt. Aber ist das wirklich so einfach?

Spielen Sie eine Abart des Libet-Experiments doch einmal mit Hausmitteln nach; es ist ganz einfach und tut nur kurz weh:

Bitten Sie einen Freund, eine Herdplatte anzuschalten, Ihnen aber nicht zu verraten, welche es ist. Fassen Sie dann nacheinander auf alle Herdplatten. Wenn Sie die heiße Herdplatte erwischen, werden Sie es bemerken: Ihr Finger zuckt schon weg, bevor Sie die Hitze spüren. Ein Teil Ihres Hirns war offenbar schneller als ihr Verstand und hat von Ihnen unbemerkt Anweisung zum Wegziehen gegeben.

Aber wären Sie deshalb von einer etwaigen "Schuld" befreit, den Finger weggezogen zu haben? Wäre Fingerwegziehen strafbar, würden Sie damit wohl bei kaum einem Richter durchkommen, oder?

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