Freitag, 11. Dezember 2015
Hören Sie mich teilweise schweigen
Zur Diskussion unter Richtern, die der Kollege Hoenig aufgreift, habe ich mal eine Anmerkung, die mich seit jeher bewegt.
Ich frage mich, was eigentlich eine "Teileinlassung" sein soll, und ob es so etwas wirklich geben kann. Sie ahnen es; die Frage im zweiten Teil des Satzes möchte ich selbst beantworten, und zwar mit "Nein".
Das Wort "Teileinlassung" fällt immer mal wieder im Zusammenhang mit der Erklärung von Angeklagten, ganz verstanden habe ich es noch nie. In den Kommentaren zum Beitrag des Kollegen Burhoff ist sogar an einer Stelle von einer "Teileinlassung im eigentlichen Sinn" die Rede. Das scheint etwas noch Tolleres zu sein, das ich noch weniger verstehe.
Das Wort "Teileinlassung" selbst ist negativ wertend und drückt ein typisches Vorurteil aus, dem Staatsanwälte und Richter gerne erliegen.
Wenn Angeklagte reden, dann heißt das "Erklärung" - denn das ist es, nicht mehr und nicht weniger. "Einlassen" kann man sich zu einem Vorwurf, und dadurch wird das Wort "Einlassung" zur herablassenden Bezeichnung für etwas, dem man von Anfang an keinen Glauben schenken kann, weil es unter dem Druck der Anklage geschieht.
Noch unverblümter kommt diese Einstellung zum Ausdruck, wenn Staatsanwälte von "Schutzschrift" sprechen, was auch gerne mal passiert. Dieser Begriff stammt aus dem Wettbewerbsrecht und bezeichnet dort die vorauseilende Erwiderung gegen einen erwarteten Eilantrag. Im Strafrecht hat es nichts zu suchen.
Staatsanwälte benutzen das Wort wohl deshalb trotzdem so gerne, weil sein Klang so nahe an "Schutzbehauptung" liegt, der am häufigsten zu hörenden Diffamierung, wenn es um die Erklärung des Angeklagten geht. Zumeist ist als Kompositum von der "reinen Schutzbehauptung" die Rede; ob es auch "unreine Schutzbehauptungen" gibt, weiß ich nicht. Staatsanwälte sagen das dann, wenn sie der Erklärung des Angeklagten nicht glauben (wollen), hierfür aber keinen sachlichen Grund angeben können.
"Teileinlassung" soll in Ergänzung dessen wohl bedeuten, dass der Angeklagte nicht zu allem etwas gesagt hat, zu dem das Gericht und die Staatsanwaltschaft gerne etwas gehört hätten. Man möchte hieraus die Legitimation ziehen, dem Angeklagten seine Erklärung nicht glauben zu müssen, auch wenn man sie ihm sonst nicht widerlegen kann.
Das ist ein übler Taschenspielertrick zu Lasten des Angeklagten, denn der hat das Recht zu Schweigen. Wer redet, schweigt nicht. Wer schweigt, redet nicht. Dazwischen ist nichts. Die Erklärung des Angeklagten ist seine Sicht der Dinge, der man nicht vorwerfen kann, das ihr Teile fehlten. Genauso könnte man der Anklageschrift vorwerfen, dass in ihr Dinge auftauchten, die nicht dort hinein gehörten. Das wäre eine vorgreifliche ("antizipierte") Beweiswürdigung, und die ist verboten.
Man kann sich nicht teilweise erklären. Wahrscheinlich deshalb meiden Richter und Staatsanwälte das Wort "Erklärung" beim Angeklagten wie der Teufel das Weihwasser und nutzen stattdessen wertende Begriffe, denen die Konnotation der Lüge bereits immanent ist.
Dem Sinn einer Strafverhandlung nutzen sie dabei nicht, sie schaden ihm.
Nun machen Sie es aber nicht unnötig kompliziert: Ob "Teileinlassung", "Teilschweigen" oder "Teilerklärung" ist letztlich egal. Entscheidend ist - jedenfalls für mich - dass der Beschuldigte zu einigen Anklagepunkten pp. etwas gesagt hat, zu anderen aber nicht. Er hat sich also nur teilweise erklärt. Und ob das etwas war, "zu dem das Gericht und die Staatsanwaltschaft gerne etwas gehört hätten", ist irrelevant.
AntwortenLöschenStaatsanwälte sagen Schutzbehauptung, wenn sie der Erklärung des Angeklagten nicht glauben (wollen), dafür haben sie aber immer einen sachlichen Grund: Das ist die *_kriminalistische Erfahrung_*. ^^
AntwortenLöschenJetzt werden wir mal abstrakt und stellen uns vor, der Anklagevorwurf hieße "Nashorn". Der Angeklagte erklärt "Elefant" und die Staatsanwaltschaft wirft ihm dann vor, dass wäre nur eine Teileinlassung, weil er sich nicht zum Horn geäußert hätte. Die Auffassung der Damen und Herren Richter (sorry, Kollege Burhoff! ;-)) verkennt, dass die Erklärung eben keine Erwiderung auf die Anklage ist, sondern etwas eigenes, genauso wie der Angeklagte eben nicht Objekt des Verfahrens ist, sondern Subjekt.
AntwortenLöschenM.E. ein schlechtes Beispiel, Herr Kollege. Wenn der Vorwurf lautet "Nashorn" und die Antwort lautet "Elefant", dann ist das ja gerade keine Teileinlassung, sondern eine vollständige, teils bejahende teils bestreitende Einlassung, denn Elefanten haben ja keine Hörner. Allenfalls ist das ein Teilgeständnis, aber keine Teileinlassung ("Ich räume ein, da gab es einen großen, grauhäutigen Herbivoren, möglicherweise auch aus Afrika, aber ein Horn hatte der nicht, sondern einen Rüssel und 2 Stoßzähne")
LöschenUnd im Nashorn-Elefanten-Urteil steht dann, der Angeklagte ist durch seine geständige Einlassung überführt. #FalscherFilm ;-)
AntwortenLöschenHerrn Nebgens äußert sich hier zwar recht umfänglich, aber seiner Einlassung ist nicht zu entnehmen, ob ihm die umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung zu den Begriffen "Teileinlassung"/"Teilschweigen" und zur Frage, wann aus einem solchen Aussageverhalten Schlüsse zu Lasten des Angeklagten gezogen werden dürfen, bekannt ist. Wir können aus dieser Teileinlassung jetzt zulässigerweise zu seinen Lasten den Schluss ziehen, dass er hiervon keine Ahnung hat.
AntwortenLöschenIst das nicht herrlich? Wer steht da unter "Strom"
AntwortenLöschenLeider kann ich diesen Beitrag schlecht lesen: weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund.
AntwortenLöschenDas eigentliche Problem einer Teileinlassung, eines Teilschweigens oder wie man immer es auch bezeichnen möchte, ist doch nur, ob und in welchem Umfang zum Nachteil des Angeklagten im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden darf, dass er zu einzelnen Punkten geschwiegen hat.
AntwortenLöschenUnd hierfür reicht es für meinen Geschmack definitiv nicht aus, dass der Angeklagte in seiner Erklärung zu diesem oder jenen Punkt nichts gesagt hat. Denn vielleicht hat er es schlichtweg versehentlich nicht erwähnt. Teilwscheigen liegt vielmehr dann vor, wenn der Angeklagte zu bestimmten Punkten etwas erklärt, zu anderen aber von sich aus oder auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, dass er hierzu nichts sagen wolle.
Verweigert der Angeklagte umfassend die Aussage, darf dies nicht für den Angeklagten nachteilig geüwrdigt werden. Macht er jedoch in der Hauptverhandlung Angaben zur Sache und verweigert dann beispielsweise auf einzelne Nachfragen des Gerichts zu diesen einzelnen Punkten weitere Angaben, ist der Weg frei, dieses Teilschweigen als "beredetes Schweigen" zu werten.
Hier kommt aber ein großes ABER: das bloße Teilschweigen lässt sich für sich alleine schon faktisch definitiv nicht zum Nachteil des Angeklagten auslegen. Die pauschale Annahme "Der Angeklagte verweigerte auf die Nachfrage des Gerichts, ob er auch eine Waffe mit sich geführt habe, die Aussage. Daraus schließt das Gericht, dass er bewaffnet war." verbietet sich. Es bedarf schon entsprechender Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte zu einzelnen Punkten nur aus dem Grunde schweigt, weil er sich sonst selbst belasten würde.
Eine nachteilige Wertung des Teilschweigens ist meiner Meinung nach nur dann möglich, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür existieren, weshalb der Angeklagte es vorzieht, zu einzelnen Punkten lieber nichts zu sagen. Wenn er also beispielsweise grundsätzlich Angaben zur Sache macht, beim kritischen Hinterfragen des Gerichts hinsichtlich einzelner Details immer wieder darauf zurückzieht, hierzu nichts sagen zu wollen (das sprichwörtliche Herumeiern). Dann muss sich der Angeklagte entgegenhalten lassen, dass er zunächst alles schön blumig geschildert hat, sich aber immer dann, wenn aus seiner Sicht "kritische" Nachfragen kamen, auf sein Schweigerecht berufen hat.
Leider bestehen in diesem Bereich sehr viele Unschärfen, bei denen subjektive Wertungen schnell zu objektiven werden können. Daher dürfte es die Verteidigung insbesondere bei vollem oder teilweisem Bestreiten in Erwägung ziehen, den aus Sicht des Angeklagten zutreffenden Sachverhalt auf anderem Wege als über eine "Einlassung" in die Hauptverhandlung einzuführen.
Werter Herr Kollege, haben Sie denn wirklich kein Thema gefunden, über das es sich aufzuregen lohnt. Die Begriffe Einlassung und Teileinlassung sind Fachbegriffe, die Ihnen als erfahrenem Verteidiger eigentlich geläufig sein sollten und denen die Negativbedeutung, die Sie in Ihrem Beitrag unterstellen, objektiv gerade nicht zukommt. Eine Einlassung ist eine inhaltliche Äußerung zu einem Vorwurf, über den Wahrheitsgehalt sagt der Begriff nichts aus. Eine Teileinlassung liegt vor, wenn der Beschuldigte sich entweder bei mehreren Vorwürfen nur zu einigen davon äußert und im Übrigen von seinem Schweigerecht Gebrauch macht oder innerhalb desselben Tatvorwurfs sich zu einem Teil des Sachverhalts äußert und zu einem anderen Teil des Sachverhalts sich ausdrücklich auf sein Schweigerecht beruft. Letzteres ist die "Teileinlassung im eigentlichen Sinne", denn sie eröffnet dem Richter die legale Möglichkeit, im Rahmen der Beweiswürdigung die möglichen Gründe für das Teilschweigen zu erörtern und ggf. zu Lasten des Angeklagten zu verwerten. Keine Teileinlassung, sondern eine vollständige Einlassung liegt hingegen vor, wenn der Beschuldigte einen Teil der Tatvorwürfe einräumt und den Rest aktiv bestreitet.
AntwortenLöschen