Dienstag, 2. Juni 2015
Ha-Ha-Handspiel und Ermessensentscheidungen
Viele Menschen scheinen sich darüber zu erregen, dass der Hamburger SV im Relegationsspiel gegen den KSC gewonnen hat. Bei Karlsruhern kann ich den Frust nachvollziehen, bei allen anderen eher nicht.
Neben einem offenbar seit Jahren gärenden - rational nicht ganz nachvollziehbaren - Zorn gegen den Hamburger SV ist Stein des Anstoßes dieses Mal eine Schiedsrichterentscheidung aus der ersten Minute der Nachspielzeit. Der Hamburger Rajkovic hatte geschossen und den Karlsruher Verteidiger Meffert (nicht zu verwechseln mit dem Hamburger Verteidiger Maeffert) am angewinkelten Ellenbogen getroffen. Der Schiedsrichter hatte auf Freistoß entschieden. War das eine Fehlentscheidung, wie viele Fans - insbesondere solche aus der Nähe von Karlsruhe - heute behaupten?
Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Nein, es war keine Fehlentscheidung.
Da hilft ein bisschen Kenntnis im Verwaltungsrecht, denn das funktioniert in vielen Fällen ganz ähnlich: Ist ein bestimmter Tatbestand erfüllt, liegt die Rechtsfolge im Ermessen des Schiedsrichters. Der Tatbestand ist in diesem Fall die Berührung des Balles mit der Hand; die dürfte nach den zahlreichen Fernsehbildern unstreitig sein.
Dadurch ist also das Ermessen des Schiedsrichter eröffnet, und soweit er dieses Ermessen nicht offen fehl gebraucht, kann seine Entscheidung nicht falsch im Sinne der Regel sein. Eine schöne Darstellung mit Regelkunde findet sich bei "Collinas Erben". Schon der Umstand, das man über die Berechtigung des Freistoßes mit Argumenten auf beiden Seiten trefflich streiten kann, zeigt, dass von einem Ermessensfehlgebrauch hier bei weitem nicht die Rede sein kann.
Was also bleibt? Frust bei den Verlierern, Freude bei den Gewinnern, und dazwischen viel heiße Luft. So ist das nun einmal im Fußball.
Ach, Herr Nebgen:
AntwortenLöschenMit der gleichen Argumentation könnten Sie sagen: Ist ein bestimmter Tatbestand erfüllt (z.B.: Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in Zueignungsabsicht, hier einer Flasche Bier) liegt es allein im Ermessen des Richters, die Rechtsfolge (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) zu definieren: Und wenn er dann auf eine fünfjährige Freiheitsstrafe erkennt, liegt das eben in seinem Ermessen. Punkt. Richtiges Urteil!
Nein, es gibt gewisse Auslegungspraktiken, die das Ermessen einschränken, und das ist gut so. Der Schiedsrichter kann pfeifen, wenn der Ball den Arm berührt: Er muss es nicht. Und in dem von Ihnen in Bezug genommenen Fall hätte er es niemals tun dürfen. Denn wenn in einer Situation wie der gestrigen regelmäßig abgepfiffen würde, gäbe es in jedem Spiel 20, 30 Handspiele. Dann würde ich als Trainer meiner Mannschaft aber auch den Ratschlag geben, nicht mehr zwingend auf's Tor, sonder lieber aus die Arme der im Strafraum stehenden Verteidiger zu zielen: Die Erfolgsquote wäre höher.
Im Übrigen: Ich bin kein Karlsruher und trotzdem traurig, dass es Hamburg nicht endlich einmal erwischt hat. Ob Sie dafür Verständnis haben, ist mir herzlich egal.
Juristisch ist das leider mal wieder völlig neben der Spur. Regel 12 ("Dem gegnerischen Team wird ebenfalls ein direkter Freistoß zugesprochen, wenn ein
AntwortenLöschenSpieler eines der nachfolgenden drei Vergehen begeht: ... den Ball absichtlich mit der Hand spielt") sieht mitnichten irgendein schiedsrichterliches Ermessen vor, nicht einmal - was Sie vermutlich meinen, der Erwerb der "bisschen Kenntnis im Verwaltungsrecht" ist ja lange her - einen Beurteilungsspielraum.
"Absicht" ist, wenn man schon das juristische Handwerkszeug anwenden will, schlicht ein unbestimmtes Tatbestandsmerkmal, das bei der Subsumtion vom Tatsächlichen wie vom Rechtlichen her manchmal Probleme aufwirft, bei dem es aber der Rechtsidee nach immer nur EIN richtiges = rechtmäßiges Ergebnis gibt.
Ohne von Fussball viel zu verstehen*, kann ich zumindest was über die negativen Emotionen ggb. dem HSV sagen: Die liegen nicht zuletzt an der fehlenden Bescheidenheit von Fans [mglw. auch des Vereins].
AntwortenLöschenDie 1. Herren-Fussballmannschaft spielt seit mindestens 2 Jahren miserabel. Sofern Sport irgend etwas mit Verdiensten zu tun hat, hätte der HSV es schon eine Weile verdient, in der 2. Liga zu daddeln. Nicht nur böse stimmen meinen, nicht einmal dort gehörten sie hin.
2 Jahre hintereinander mit extrem viel Glück, einer Schiedsrichterfehlentscheidung und dem sportlich wie strategisch absoluten Minimum den Klassenerhalt zu erspielen und dann die Klappe aufreissen, wie toll der HSV wäre, 'niemals 2. Liga' brüllen und jubeln, als wäre man berechtigt Meister geworden, macht einen nicht sympathisch.
*Auch wenn ein anderer Kommentator über das Handspiel bestätigt, was ich vage erinnerte.
Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
AntwortenLöschen§ 40 Ermessen
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
Dass hier kein Ermessensfehler vorliegt, wird nicht begründet oder allenfalls mit dem Zirkelschluss, dass das Ermessen eröffnet wurde und über die Richtigkeit der Entscheidung diskutiert wird. Könnte es sein, dass der Autor selbst sachfremde Motive, sprich Sympathie für den HSV hegt? In Hamburg ist jedenfalls seine Anwaltspraxis gelegen. Also HSV-Fan und unzurechnungsfähig. q.e.d. ;-)
AntwortenLöschen(Nein, ich bin kein KSC-Fan)