Mittwoch, 16. Juli 2014
Das Ende der Verteidigung
Beate Zschäpe hat ihren Verteidigern das Vertrauen entzogen, schreiben SZ und SPIEGEL, die BILD titelt erwartungsgemäß reißerisch etwas von "rausschmeißen" und "entlassen wollen". Laut SZ hat Beate Zschäpe dem Gericht über einen Polizeibeamten mitteilen lassen, dass sie kein Vertrauen mehr in ihre Verteidiger habe. Rätselraten, warum sie das tut, warum gerade zum jetzigen Zeitpunkt, und was für Folgen das haben kann. Das Gericht hat das Verfahren vorerst unterbrochen.
Eine schöne Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten des weiteren Verfahrengangs findet sich beim Terrorismus-Experten Holger Schmidt.
Aber wer als neuer Verteidiger in das laufende Verfahren einsteigen wollte, bräuchte Monate, um sich in die Aktenlage und den bisherigen Stand der Beweisaufnahme einzuarbeiten. Damit wäre das Verfahren geplatzt. Das kann sich das Gericht, das kann sich der Staat nicht leisten. Mit den alten Verteidigern weiter zu verhandeln oder eine - dann nicht ausreichend vorbereitete - neue Verteidigung zu installieren, würde jedes Urteil der Gefahr einer erfolgreichen Revision aussetzen - eine Zwickmühle für das Gericht. Every way you look at it you lose.
Möglicherweise wird da eine Verteidigungsstrategie sichtbar.
Kann man nicht einfach einen, zu dem das Vertrauensverhältnis besonders gestört ist, rausschmeißen und anschließend durch einen Anwalt nach Zschäpes Wahl ersetzen. Das Verfahren kann dann weiter gehen und Zschäpe hat auch einen neuen Anwalt.
AntwortenLöschenAn diesen Meldungen - und leider auch an Ihrem Beitrag - zeigt sich eine der Schattenseiten der Blogosphäre: wir wissen doch eigentlich noch gar nichts, aber jeder möchte so schnell wie möglich einen Kommentar absondern.
AntwortenLöschenSolange die Angeklagte nicht mitteilt weshalb sie ihren Verteidigern nicht vertraut, ist doch alles Kaffeesatzleserei. Wobei Sie sich ja noch deutlich zurückgehalten haben. Die SPON-Meldung von Frau Friedrichsen, in der über mögliche Telefonate aus München nach Karlsruhe zur Rechtsberatung durch den BGH gemutmaßt wurde, schlägt wirklich dem Fass den Boden aus...
Wenn das wirklich eine Verteidigungsstrategie wäre, würde das zwar zum Platzen des Prozesses führen, weil es natürlich ausreicht, einfach einen neuen Verteidiger hinzusetzen.
AntwortenLöschenDie Frage wäre aber, was damit gewonnen würde, wenn der Prozess mit seinem ganzen Programm nochmal neustattfinden müsste. Sicher, die Planung würde wieder einige Zeit bedürfen, auch die Durchführung wäre vermutlich sehr anstrengend für alle Beteiligten. Von den Kosten ganz abgesehen: Durch die Vielzahl der Beteiligten und deren Vertreter, insbesondere die Nebenklagevertreter, die ja oft Prozesskostenhilfe bekommen haben, dürfte dieser Prozess, der jetzt schon als teuerste Prozess aller Zeiten gilt, noch eine neue Dimension bekommen.
Damit wäre der Schaden an dem bekämpften Staat und ggf. auch an die Verletzten bzw. Hinterbliebenen doch enorm gesteigert.
Falls das alles keine Verteidigungsstrategie ist, rauscht Zschäpe dagegen auf eine glatte Verurteilung zu, wenn sie anfängt zu reden. Hinweise dazu gab es ja schon noch in den ersten Monaten der Haft als sie offenbar mit den Justizbeamten immer mal wieder geredet hat.
Es ist auch menschlich sehr schwierig, in einen Prozess zu sitzen über Monate und sich selbst nicht zu wehren, wenn über 300 Zeugen ihre Wahrnehmung schildern. Die Verteidigung soll von den unkundigen Journalisten als "passiv" angesehen worden sein. Das deutet darauf hin, dass jedes Wort, jede Einlassung wohl doch sehr schädlich gewesen wäre.
Wenn sich Zschäpe auf verlorenen Posten sieht und deswegen noch etwas "Rabatt" bekommen möchte, sollte sie aber bedenken, dass bei dem Tatvorwurf da nicht viel drin sein wird. Nach meinen Erfahrungen ist ein Geständnis samt Reue bei kleiner und mittlerer Kriminalität vielleicht ein Fünftel oder ein Viertel der Straferwartung wert, mehr nicht. Bloß bei dem Tatvorwurf wird das wohl sowieso weniger sein, wenn überhaupt eine zeitige Freiheitsstrafe rauskommt. Bisher ist zudem noch nicht klar, welche Rolle sie gespielt hat. Es kann alles sein: Täter, Beteiligter, Unbeteiligter... Das dumme Hausfrauen-Image wurde laut Medienberichten widerlegt, jedoch wird der letzte Restzweifel durch eine Einlassung wohl dann vollends ausgeräumt. Insofern kann ich die Verteidigung verstehen, die lieber eine Einlassung vermeiden will, was wie gesagt bei dem heftigen Rechtfertigungsdruck schon eine große Leistung der Angeklagten wäre. Darüber gab es am Anfang ja auch viel Spekulation. Nach 300 Zeugen scheint da diese Fassade zu bröckeln.
Allerdings sollte man bei all dem auch nicht vergessen, dass Pflichtverteidiger nicht nur für den Mandanten arbeiten. Sie dienen auch zur Sicherung des Verfahrens in manchen Fällen, so dass es vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass uns das jetzige Trio erhalten bleibt.
Ein neuer Anwalt von Zschäpe bzw. wohl mehrere (!) müssten wohl auch Pflichtverteidigung beantragen, alleine schon zur Sicherung ihrer Gebühren, die Zschäpe wohl nicht tragen kann. Für das Gericht wäre wohl die Pflichtverteidigerbestellung der neuen Anwälte unumgänglich, alleine falls Zschäpe ihre Meinung ändern sollte. Dann hätten wir vielleicht sogar 6 Pflichtverteidiger mit unterschiedlicher Verteidigungsstrategie.
Wohl bekomms.