Montag, 4. Februar 2013
Erfahrung vs. Diskriminierung
Eine Strafkammer des LG Detmold hat einen jesidischen Familienvater zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt wegen Beihilfe zum Mord, durch Unterlassen, begangen an seiner jüngsten Tochter. SPON berichtet hier. Der Familienvater hätte verhindern müssen, dass die Geschwister seiner Tochter diese umbringen. Die Geschwister waren zuvor schon in einem Parallelverfahren wegen Mordes bzw. Beihilfe zum Mord verurteilt worden.
Normalerweise braucht man Beweise, um einen Menschen wegen einer Straftat zu verurteilen. In diesem Fall gab es wohl eher weniger Beweise; der Vater habe am Tattag auffällig oft mit seinen Kindern telefoniert, heißt es. Aber ist das ein Beweis? Die Inhalte der Gespräche konnten nicht rekonstruiert werden, lässt die Pressestelle des Gerichts verlauten.
Andererseits ist kaum vorstellbar, dass Menschen mit einer streng patriarchalischen Familienstruktur etwas derart Schwerwiegendes wie einen "Ehrenmord" unternehmen, ohne dass der Vater davon weiß und es gutheißt. Aber ist das ein Beweis? Die Presse schreibt dann gerne von einem "Indizienprozess", wobei mir der Unterschied zwischen Beweisen und Indizien immer noch nicht ganz klar ist.
Die Frage dürfte eher sein, ob sich ein Gericht allein aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze eine Überzeugung bilden darf. So scheint es hier geschehen zu sein: Man konnte sich schlicht nicht vorstellen, dass der Vater von der Tat nichts gewusst haben will. Hätte es sich nicht um Angehörige einer für westliche Verhältnisse eher dubiosen Religionsgemeinschaft gehandelt, wäre das Urteil vielleicht - vielleicht auch wahrscheinlich - anders ausgefallen. Ist das jetzt ein Erfahrungsgrundsatz oder religiöse Diskriminierung?
Wie man es dreht oder wendet: Das Verfahren hat einen faden Beigeschmack.
Ja,ja die Jessidi-Kurden kommen schon bei Karl May ganz schlecht weg; vgl. "Durchs wilde Kurdistan"
AntwortenLöschenIch wäre den nimmermüden Trolls dankbar, wenn sie ihre substanzlosen Beleidigungen woanders abladen könnten. Das Löschen der Kommentare ist so anstrengend.
AntwortenLöschenDas hat in der Tat einen faden Beigeschmack.
AntwortenLöschenKlar dürfte sein, daß der Mann die Strafe verdient hat. Das wird genau so gelaufen sein, wie es das Gericht sieht. Andererseits dürften die Beweise ind er Tat mangelhaft sein.
Will man nun einen offensichtlich Schuldigen laufen lasen, weil die Formalitäten nicht stimmen?
Im Baurecht würde man sagen: ja. Im Volksempfinden würde man sagen: nein.
Wie auch immer die Richter entscheiden würden, es wäre immer falsch.
Naja wir werden sehen, was der BGH dazu sagt. Beihilfe durch Unterlassen setzt in einem solchen Fall aber tatsächlich nicht viel mehr voraus als den bedingten Vorsatz, dass die Kinder die Tat begehen - also für möglich halten und billigen und keineswegs sicheres Wissen, wenn dazu kommt, dass durch eine einfache Einwirkung die Tat hätte verhindert werden können und das dem Vater auch bewusst war. Diese Konstellation scheint schon auf der Basis des Veröffentlichten mehr als nur ein wenig nahe zu liegen. Wenn bei der Kammer (die in allen Verfahren mehr zur Überzeugungsbildung zur Verfügung hat, als das was später gerafft in der Presse steht und die sicherlich auch die Familienverhältnisse genauer aufgeklärt hat als "Mitglieder einer komischen Religionsgemeinschaft") nach alldem "alle vernünftigen Zweifel schweigen", kann man das gerne diskutieren. Gleich wieder indirekt Rechtsstaatswidrigkeit zu insinuieren schießt aber möglicherweise auch über das Ziel hinaus... Wenn die Kammer die Familienverhältnisse aufgeklärt hat und aufgrunddessen zum Schluss gekommen ist, dass ein Nichtwissen des Patriarchen nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen ist, befindet sich das Urteil zwar iE im Einklang mit dem gängigen Vorurteil, beruht aber inhaltlich keineswegs nur auf "allgemeinen Erfahrungssätzen". Natürlich könnte man auch davon ausgehen. Aber in dubio pro reo gilt eben nur für Beschuldigte und nicht für Schwurgerichtskammern...
AntwortenLöschenWas mir auch nicht ganz klar ist: Wenn dem Autor die Albernheit der populären Differenzierung zwischen "Beweis" (= Beweismittel, das - angeblich - einen sicheren Schluss auf Tat und Täter erlaubt) und "Indiz" (= anderes Beweismittel aus dem allen oder mit anderen zusammen die entsprechenden Schlüsse gezogen werden, aber das irgendwie "unsicher - oder von mir aus auch fade - schmeckt" doch offenbar bewusst ist. Warum macht er sich diese Differenzierung mit der rhetorischen Frage "Aber ist das ein Beweis?" zueigen? Man kann natürlich, wenn genau zur Tatzeit auffällig viel (das kann nur heißen: auch mehr als sonst) gerade mit den Tätern telefoniert wird (und vermutlich noch andere "Indizien" dazukommen, von denen wir nichts genaues wissen) an die Möglichkeit eines bloßen Zufalls glauben. Die Frage für die richterliche Beweiswürdigung ist doch aber, ob man es wirklich in Anbetracht aller Umstände wirklich muss...