Gestern hatte ich hier am Beispiel eines Beweisantrages die mich seit langem beschäftigende Frage thematisiert, ob ein Strafverteidiger lügen darf. Auf dem Strafverteidigertag vertrat ein Kollege hierzu eine bahnbrechende Theorie, die ich an dieser Stelle vorstellen möchte.
Es ging zunächst um die Frage, ob man einen Erklärung abgeben dürfe, deren Lügenhaftigkeit einem bewusst sei. Wie ein Kommentator gestern zutreffend bemerkte, löst die Rechtsprechung dieses Problem inzwischen ebenso wie bei der Geldwäsche: Strafbar macht sich nur, wer von der deliktischen Herkunft des Geldes bzw. der Unwahrheit der Behauptung positive Kenntnis hat. Den Beschluss des BVerfG zur Geldwäsche findet man hier. Was positive Kenntnis ist - dazu vielleicht ein anderes Mal.
Der erwähnt Kollege meinte nun, die Verbreitung einer Lüge sei für ihn gar kein Problem: Er gebe die Erklärung einfach im Namen seines Mandanten ab. Natürlich erst, nachdem er den Mandanten darüber beraten habe, welche Einlassung für ihn die günstigste sei. Denn der Mandant dürfe ja lügen. Der Kollege glühte vor Genialität; ich musste mich mit einer Anwandlung von Fremdschämen fragen, ob er das wirklich ernst gemeint haben könnte. Die Kollegen auf dem Podium haben ihn möglicherweise gar nicht verstanden.
Als wäre dies nicht genug, meldete sich der Kollege im weiteren Verlauf der Veranstaltung nochmals zu Wort, nämlich zur zitierten Frage des Beweisantrages. Auch den stelle er bei Fragwürdigkeit der Beweisbehauptung nicht im eigenen Namen, sondern im Namen seines Mandanten, der ja lügen dürfe. Selbstverständlich nur nach ausführlicher vorheriger Beratung durch ihn, seinen Verteidiger. Gleichsam geniales Glühen beim Kollegen, erneute Verständnislosigkeit bei den Zuhörern.
Wer mit solchen Taschenspielertricks arbeitet, der muss sich am Ende tatsächlich nicht wundern, wenn Richter ihn nicht mehr für voll nehmen. Bedauerlich ist nur, dass Richter und Staatsanwälte dazu neigen, solcherlei Verhalten zu generalisieren und damit alle Verteidiger in ein schlechtes Licht zu rücken. Damit erweist der geniale Kollege seiner Zunft einen Bärendienst. Aber er freut sich.
Das klingt vor allem nicht sehr schlau und durchschaubar. Erklärung im Namen des Mandanten = Lüge. Erklärung ohne disclaimer = wissen wir nicht, ob der einfach nur dämlich ist, oder die Wahrheit sagt.
AntwortenLöschenLassen Sie mich raten: Der Kollege heißt mit Vornamen Sascha und der Nachname beginnt mit P.?
AntwortenLöschenMir ist der Fürsprecher in meinem Namen lieber, als ein Anwalt, der sich auf seine Eigenschaft als Organ der Rechtspflege beruft und mich im Zweifelsfall in die Pfanne haut. Für letzteres würde ich keinen Cent zahlen wollen, denn die laute Stimme der Gesellschaft ist bereits hinreichend von vorne und von rechts zu hören.
AntwortenLöschenIm übrigen: wer sagt, dass der Mandant überhaupt zu einem sachlichen Vortrag in der Lage ist? Der Anwalt MUSS also die Möglichkeit haben, namens seines Mandanten vorzutragen und hierbei die Rechte des Mandenten - nicht zuletzt das Recht auf Behauptung unwahrer Tatsachen - wahren. Wenn der Kollege als erster seiner Zunft darauf gekommen ist, kann er zurecht Genialität für sich in Anspruch nehmen.
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