Der Kollege Hoenig berichtet hier über eine Richterin, die offenbar häufiger mal Haftbefehle erlässt. Die Darstellung ist erwartungsgemäß realistisch und spiegelt das wieder, was ein Strafverteidiger so im Berufsalltag erlebt. Mit Ausnahme des Umstandes, dass man eher selten Richter derart unbefangen über ihre Entscheidungsfindung reden hört, zumal die Beratung ja üblicherweise im Geheimen stattfindet.
Deshalb verwundert die Geschichte an sich zunächst einmal nicht. Bemerkenswert an diesem Beitrag sind aber zwei Dinge: 1.Auf einer Metaebene die Umstände des Dialogs und 2.die Reaktion der Kommentatoren.
Der Dialog zwischen Richterin und Staatsanwältin strotzt wohl nicht nur aus meiner Sicht vor Menschenverachtung und Zynismus. Sowohl Richterin als auch Staatsanwältin beklagen sich - offenbar ironisiert ("wenigstens Haftverschonung") - darüber, dass nicht genug Angeklagte inhaftiert würden. Vielleicht beklagten sie sich auch nur darüber, dass Obergerichte ihnen widersprechen, aber das kommt praktisch auf dasselbe heraus. Dem Gesprächsverlauf zu schließen scheinen beide darunter zu leiden, dass nicht genügend ihrer Haftbefehle aufrecht erhalten werden. Dabei fällt - so der Kollege Hoenig das Gespräch richtig und vollständig wiedergibt - nicht ein Wort zur Frage, ob eigentlich die Voraussetzungen der Haft vorlagen. Ein naiver Jurist könnte auf die Idee kommen, dass dies das erste - und einzige - ist, das interessieren sollte, nicht etwa die eigene Befindlichkeit. Man könnte dieses Gespräch daher zusammenfassend als extrem unprofessionell bezeichnen.
Umso erschreckender, dass es offenbar freimütig und vollkommen arglos vor den Ohren eines Strafverteidigers geführt wurde. Da scheint man bei der Justiz nicht einmal mehr ein schlechtes Gewissen zu haben.
Der zweite erstaunliche Umstand sind die Reaktionen der Kommentatoren, vom aktuell letzten Kommentatoren ("A.N.") zusammengefasst als "drei zurückhaltende, richterfreundliche Kommentare und ein Troll"). Die drei ersten, die "richterfreundlichen" Kommentare bewegen sich allesamt auf rein hypothetischer Ebene und befassen sich rein spekulativ mit möglichen Erklärungen für das skurrile Verhalten der Justizpersonen. Statt die offensichtlich rechtsfremden Auffassungen zu thematisieren, wird versucht, Fehlverhalten schön zu reden.
Ich habe den Verdacht, dass diese Kommentatoren ihre Auffassung nur genau so lange hegen, wie sie nicht selbst einmal betroffen sind. Sollte mal ein Haftbefehl gegen so jemanden oder einen seiner Angehörigen erlassen werden, dann werden dies erfahrungsgemäß diejenigen sein, die am lautesten jammern, dass alles ein Irrtum sei, und sie werden auf den Rechtsstaat schimpfen.
Aber erst dann.
Wenn Sie schreiben "scheinen darunter zu leiden", spekulieren Sie selbst auch auf sehr hypothetischer Ebene, Herr Nebgen. (Glashaus->Steine?)
AntwortenLöschenDie drei ersten Kommentatoren spekulieren wohl deshalb, weil Herr Hoenig außer ein paar aufgeschnappten Äußerungen und seiner "Petzerei" nichts zur Sachlage berichtet.
Bei der Haftfrage gibt es eben immer - auch wenn das manchem nicht paßt, aber ein Richter ist eben keine CNC-Fräse, der man ein paar Daten eingibt und die dann ein präzises Werkstück fertigt- Auslegungs- Ermessens - und Bewertungsspielräume . Ist der Tatverdacht schon dringend oder ist es nur ein Anfangsverdacht? Wie ist die Straferwartung und ist Haft dann verhältnismäßig? Besteht Wiederholungs/Verdunkelungs/Fluchtgefahr?
Und da kann eben eine Beschwerdekammer etwas großzügiger sein, ohne dass dies den Schluss erlaubt, dass die Entscheidung des Amtsgerichts falsch, rechts(staats)widrig oder zynisch ist.
Ich danke für die zustimmende Erwähnung :) Ich teile Ihre Auffassung - sie war der Grund für meinen Kommentar in CRHs Blog.
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