Wenn in der Überschrift von Piraten die Rede ist, dann sind ausnahmsweise mal wieder echte Piraten gemeint. Diejenigen nämlich, die in Hamburg seit nunmehr weit über einem Jahr vor dem Landgericht angeklagt sind, weil sie vor Somalia einen Hamburger Frachter gekapert und vier Stunden in ihrer Gewalt hatten. Menschen kamen nicht zu Schaden. Eine gute Kurzzusammenfassung findet sich hier.
Bei den meisten der Seeräuber - durchweg Somalier aus ärmsten Verhältnissen - ist bereits streitig, ob sie überhaupt das Erwachsenenalter erreicht haben. In der Regel werden sie wohl nicht einmal wissen, wie alt sie sind. Seit ihrer Auslieferung im Juni 2010 sitzen die Piraten in Untersuchungshaft. Die Beweisaufnahme vor dem Landgericht dauerte 70 Verhandlungstage.
Jetzt hat die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer gehalten und sich womöglich mächtig in der Tonlage vergriffen. Und das kommt davon, wenn man stur Richtlinien und Gesetze anwendet, ohne auf die Besonderheiten des Einzelfalls zu achten. Haftstrafen zwischen sieben und elfeinhalb Jahren hat die Staatsanwaltschaft für diejenigen gefordert, die sie für erwachsen halten, zwischen vier und fünfeinhalb Jahren Jugendstrafe für die übrigen.
Für solche Strafmaße müsste man als Einheimischer schon jemanden erschlagen.
Bedenkt man, dass sämtliche Täter in ihrer Heimat bettelarm sind, anscheinend aus der puren Not heraus gehandelt haben, niemandem ein Haar gekrümmt wurde und die Täter mit ihrer Ergreifung aus ihrem Lebensumfeld gerissen wurden uns sich seither in einem ihnen völlig unbekannten Umfeld befinden - einer soll den Richter für den Henker gehalten haben - kann man diese Diskrepanz auch nicht erklären.
Was die Staatsanwaltschaft bei ihren Anträgen geritten hat, weiß nur sie selbst. Aber die Erfahrung als Strafverteidiger lehrt, dass gerade bei Delikten, die die örtliche Staatsanwaltschaft eher selten bearbeitet, beim Strafmaß jedes Maß verloren geht. Was sich regelmäßig zu Lasten der Angeklagten auswirkt. Verteidiger, die in ländlichen Gegenden Betäubungsmittelkriminalität verteidigen, wissen da mitunter von grotesken Vorstellungen der örtlichen Staatsanwaltschaften zu berichten.
Die Frage, die bleibt: Woher kommt diese immense Lust am Strafen?
Bei einem Ersttäter, der wegen Sexuellen Missbrauchs von Kindern in 100 Fällen verurteilt ist und bei dem die Tat und Schuldvorwürfe bestätigt wurden, werden 2 Jahre plädiert. Da fehlt doch völlig die Verhältnismäßigkeit...
AntwortenLöschenOder in 100.000 Fällen, genau!
LöschenVielleicht wollte die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Gutes tun. Die Zeit in einem deutschen Gefängnis dürfte wahrscheinlich nicht annähernd so schlimm sein wie eine bettelarme Existenz in Somalia.
AntwortenLöschenÄhm, das mit bettelarm relativiert sich vielleicht etwas, wenn man so liest, was an Lösegeldern fließen soll (Umsätze von 30 bis 100 Mio € der "Piraten-AG") laut Meldungen aus 2009).
AntwortenLöschenOb die bettelarm-Einlassung der Angeklagten stimmt, ist dann auch die nächste Frage, da Angeklagte bekanntlich lügen dürfen.
Und das Herausreißen aus der Heimat ist wohl eine selbst verschuldete Folge der Tat, ebenso wie das Witwersein des Mannes, der seine Frau umgebracht hat. Hätten sie ein russisches Schiff gekapert, würden sie vermutlich im Golf von Aden schwimmen.
Und da es zuweilen auch Tote gibt, bei diesen süßen, kleinen Pirätchenaktionen mit RPG und Kalaschnikows, sind die Strafen mE angemessen. Jedes Bankräuberbandenmitlied in Deutschland hat, wenn es mit einer geladenen Kriegswaffe loszieht,5 Jahre Mindeststrafe zu erwarten (250 II Nr. 2). Nach einem Spon-Artikel hat der Kapitän ausgesagt, dass auf die Brücke geschossen wurde, nachdem er Signalraketen abgefeuert hatte. Harmlose gedungene Bettler?
Früher hat man noch gewußt, wie man Piraterie effektiv eindämmt:
AntwortenLöschenhttp://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Störtebeker
;-)
Die Lösegelder fließen im Zweifel nicht jenen Piraten zu, die nun vor Gericht stehen.
AntwortenLöschenDie Piraten, welche an Bord der Schiffe gehen, werden zum Teil dazu genötigt, um damit z.B. eigene Schulden abzubezahlen oder weil Familienmitglieder bedroht werden. Die Lösegelder streichen Hintermänner ein.
Die Hintermänner gehen selbst nicht an Bord von Schiffen. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass die Drahtzieher jemals vor Gericht - vor allem ein deutsches - gestellt werden.