Mittwoch, 12. März 2014

Das ultimative Uli-Orakel


Der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen Uli Hoeneß ist vorbei und alle fragen sich: War es das? Am meisten verwundert, dass selbst professionelle Prozessbeobachter sich nicht darauf einigen können, was sie da gerade gesehen haben. Beispielhaft dafür die Münchner Runde vom Dienstagabend: Heribert Prantl und sein Kollege vom BR sind sich eigentlich in allem uneins, obwohl sie im selben Prozess gesessen haben.

Was also ist möglich? Im Grunde gibt es drei Szenarien:

  1. Das Gericht sieht die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige als nicht gegeben an, insbesondere weil die Selbstanzeige nicht vollständig war. Dann werden die Umstände wohl weiter aufgeklärt werden müssen, das Verfahren würde möglicherweise unterbrochen, vielleicht sogar ausgesetzt werden. Dafür spräche die ungeheure Menge von 70.000 Seiten, die die Verteidigung nachgereicht haben soll. Danach ginge es dann nur noch um das Strafmaß, dass sich aufgrund der unstreitigen Höhe der hinterzogenen Steuern so zwischen fünf und zehn Jahren Freiheitsstrafe bewegen dürfte. Wahrscheinlichkeit: 40 %.
  2. Das Gericht sieht die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige als nicht gegeben an, lässt sich aber auf eine Verständigung ("Deal") ein, vielleicht auch, um die 70.000 Seiten nicht lesen zu müssen. In diesem Fall, den z.B. oben bereits zitierter Heribert Prantl für wahrscheinlich hält, ginge es jetzt hinter den Kulissen gerade hoch her. Morgen könnte das Ergebnis dann in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Das Strafmaß wäre dann etwas geringer als bei Fall 1., jedoch immer noch deutlich oberhalb der zwei Jahre Freiheitsstrafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. Wahrscheinlichkeit: 50 %. 
  3. Der Außenseitertipp: Die Selbstanzeige war korrekt. Dann könnte Uli Hoeneß - jawohl - nicht bestraft werden. Das wäre ein Ding. Ganz Bayern würde jubeln, der Rest von Deutschland würde auf die rechtsstaatlichen Barrikaden gehen, soweit er von der Gesinnung nicht tiefschwarz wäre oder selbst knietief im Steuersumpf steckte. Diesen Sieg würde Uli Hoeneß dann weniger seinen aktuellen Verteidigern verdanken, als vielmehr den Steuerberatern, die die Selbstanzeige gefertigt haben. Das hieße dann aber auch, dass bei der Finanzbehörde oder der Staatsanwaltschaft maßlos geschlampt worden sein müsste. Dass die Staatsanwaltschaft dabei die rechtlichen Voraussetzungen der Selbstanzeige anders als Verteidigung und Gericht bewertet hätte, wäre noch nachvollziehbar; gleichzeitig müsste sie sich in ihrer Anklage aber auch noch um knapp 24 Millionen Euro Steuerschuld zu Ulis Gunsten vertan haben. Denn von den mittlerweile eingestandenen 27,2 Millionen hatte sie nur 3,5 Millionen angeklagt. Das ist schwer vorstellbar. Wahrscheinlichkeit daher: 10 %. 
Fazit: Die Bewährung dürfte so oder so vom Tisch sein. Dafür ist der Betrag einfach zu hoch. 


5 Kommentare:

  1. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Allerdings bleibt m.E. noch abzuwarten, was die Beweiserhebung hinsichtlich des konkreten Inhalts der Selbstanzeige ergibt.

    Laut FAZ soll die Selbstanzeige einen Betrag von EUR 60 bis EUR 70 Mio. durch Gewinnschätzungen abgedeckt haben. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/recht-steuern/prozess-gegen-uli-hoeness-anwaelte-halten-selbstanzeige-fuer-wirksam-12843383.html
    Das riecht eigentlich nach dem gängigen Procedere einer “gestuften Selbstanzeige”. Ich bin (weiter) gespannt.

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  2. Hallo Herr Nebgen,

    ich hätte eine Frage (von der ich mir erhofft hätte, dass einer der einschlägigen TV-Moderatoren sie mal Herrn Kubicki - der ja zum Thema durch alle möglichen Talkshows getingelt ist - gestellt hätte):

    In "besonders schweren Fällen" sieht das Gesetz eine Haftstrafe bis zu 10 Jahren vor. Wenn der Fall Hoeneß kein besonders schwerer Fall ist - wie muss denn ein "besonders schwerer Fall" dann aussehen?

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  3. Wenn ich kurz für Herrn Nebgen einspringen darf:

    Besonders schwerer Fall = gleicher Betrag, anderer Name

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  4. Na - danke für die Antwort, gonzo. :)

    Der mündlichen Begründung des Urteils war zu entnehmen, dass es das Gericht so sieht, dass es sich um 7 Einzelfälle handelt und keiner davon ein "besonders schwerer Fall" ist.

    Ich vermag nicht, dem zu folgen - aber, ich bin ja auch kein Jurist ... nur Steuerzahler. ;)

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  5. Das ist die Magie der Rechtswissenschaften. Man urteilt so, dass es dem Genugtuungsanspruch der Bevölkerung gerade noch entspricht, aber nicht so sehr, dass es andere Selbstanzeiger verschreckt. Dann wird solange hin- und hergewichtet, bis die Gesamtstrafenbildung hinkommt. Schwarze Umhänge sind hierbei unverzichtbar, sonst wird es zu offensichtlich.

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