Dienstag, 23. August 2016
Taube auf dem Brett
Was soll man sagen? Die Angeklagte wird - allem Anschein nach zu Recht - wegen Falscher Verdächtigung verurteilt. Das Strafmaß kann man nur als milde bezeichnen. Was aber tut sie? Sie setzt sich bereits tags darauf ins Frühstücksfernsehen eines Privatsenders und wiederholt ihre Anschuldigungen. Damit läuft sie in Gefahr, sich gleich das nächste Strafverfahren zu fangen. Ja, wird die denn nicht anwaltlich beraten? Doch. Ihr Anwalt sitzt daneben.
Ist das kriminelle Energie? PR-Kalkül? Oder bloße Dummheit und Unbelehrbarkeit? - Man wird es nie erfahren. Eins aber kann man schon jetzt sagen: Es ist die ultimative Verleugnung des Rechtsstaats. Flankiert vom grölenden "Nein-heißt-Nein"-Mob, dem Recht und Gesetz längst egal geworden sind. Es geht nur noch um die Darstellung der Werte im eigenen, selbst-konstruierten
Paralleluniversum.
In diesem Paralleluniversum der Nein-heißt-Nein-Sager geht es nicht mehr darum, ob jemand vergewaltigt wurde - es geht darum, ob eine Frau behauptet, vergewaltigt worden zu sein. Tatsachen spielen dabei keine Rolle mehr. In diesem Paralleluniversum geht es um die Etablierung der Frau als dem besseren Menschen. Da scheren die Tatsachen niemanden. Wer sich trotzdem für Fakten interessiert, der lese den - schon einige Wochen alten - Beitrag von Monika Frommel, die als feministische Kriminologin beileibe nicht im Ruch steht, die Emanzipation abschaffen zu wollen. Sie hat den Prozess beobachtet und viele erstaunlichere Einzelheiten zu Tage gefördert.
Was aber macht man mit Menschen, die sich dem Gesellschaftsvertrag offenbar nicht mehr verbunden fühlen, sondern nach ihren eigenen Regeln in ihrem eigenen Reich leben? Davon gibt es immer mehr; immer mehr Parallelwelten und immer weniger allgemein akzeptierte Regeln. Neben den "Nein-heißt-Nein"-Feministen gibt es z. B. das Reich der gleichnamigen Reichsbürger, die der Fiktion Staat die Existenz absprechen und auch sonst die Unterscheidung in Fiktion und Wirklichkeit aufgegeben haben, oder PEGIDA, deren Mitglieder christliche Werte bedroht sehen, die sie auf Nachfrage nicht einmal benennen können.
Soll man mit solchen Leuten diskutieren? Kann man mit solchen Leuten überhaupt diskutieren?
Im Internet kursiert das Mem von der Diskussion mit den Dummen, die so sei wie das Schachspiel mit einer Taube - die werfe alle Figuren um, kacke aufs Brett und stolziere herum, als hätte sie gewonnen.
Womit wir wieder bei dem Eindruck wären, den Gina-Lisa L. derzeit auf mich macht. Und ihr Anwalt macht mit.
Freitag, 12. August 2016
Amt und Würden
Mit Ämtern haben ihre Inhaber mitunter so ihre Schwierigkeiten. Dabei sollten sie als Amtsträger es eigentlich am besten wissen. Zwei Beispiele:
Kollege Flauaus begegnete vor Gericht einer Staatsanwältin, die auf der korrekten Anrede "Oberstaatsanwältin" bestand. Das ist menschlich kleinkariert in einem Maße, dass man die Karos kaum mehr zählen kann, vor allem aber ist es inhaltlich falsch.
Die Dame agiert als Vertreterin ihrer Behörde, der Staatsanwaltschaft. Da ist "Staatsanwältin" die völlig korrekte Anrede, "Vertreterin der Staatsanwaltschaft" müsste es ganz korrekt heißen, aber das klingt etwas arg holprig. Frau Oberstaatsanwältin verwechselt offenbar ihre Funktion mit ihrem Dienstgrad - letzterer mag ihr innerliche Genugtuung bereiten, Gegenstand der Anrede ist er nicht, insbesondere dann nicht, wenn man ihn gar nicht kennt.
Der zweite Fall ist etwas komplizierter: Der Sohn des thüringischen Justizministers hat ein Problem mit seinem Zeugnis, das nicht erteilt werden sollte, angeblich auf Weisung des Bildungsministeriums entgegen einer früheren, ausdrücklichen Zusage. Da hat Papa kurzerhand beim Ministerium angerufen (?) und nachgehakt. Dafür wird ihm jetzt Amtsmissbrauch vorgeworfen. Ob der thüringische Justizminister zur Herbeiführung einer ihm positiven Entscheidung wirklich sein Amt genutzt hat, wird man wohl detailliert zu prüfen haben, konkrete Anhaltspunkte hierfür finden sich in der Presseberichterstattung nicht.
Natürlich wussten die Beteiligten, mit wem sie es zu tun haben, aber sollte ein Justizminister wegen seines Amtes privat schlechter gestellt sein als andere? Die dürfen schließlich auch bei der Behörde anrufen und sich beschweren. Jedenfalls am Problem vorbei geht dabei der Vorwurf, es hätte doch seine Frau sich an die Behörde wenden können. Damit drückt man sich allenfalls um eine Beantwortung der Ausgangsfrage: Sollte Papa sich nicht beschweren dürfen, nur weil er Minister ist?
Das wird man nur mit sehr viel Fingerspitzengefühl beantworten können.
Donnerstag, 11. August 2016
Jegliche professionelle Distanz
Im Prozess gegen die so genannte "Hamburger Millionärsfreundin" (BILD) hat das Landgericht München die Angeklagte wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt. Der Richter hatte offenbar viel zu sagen, nicht alles davon scheint so richtig zur Sache gehört zu haben. Die BILD berichtet hier, der SPIEGEL hier, und der Kollege Udo Vetter nimmt die Berichterstattung hier auf.
Der Richter betrieb nämlich in seiner Urteilsbegründung nebenbei etwas, dass von einem der Verteidiger "Verteidiger-Bashing" genannt wurde. Der Vorsitzende Richter wird mit den Worten zitiert, die Verteidigung hätte "jegliche professionelle Distanz verloren"; dabei äußerte er gleich noch die Vermutung, diese habe auch noch die Berichterstattung im SPIEGEL "lanciert", was wohl "gekauft" heißen soll. Gisela Friedrichsen hat das augenscheinlich so empört, dass sie ihrem oben zitierten Bericht am selben Tag noch eine Replik hinterher geschoben hat.
Nun ist es nicht die Aufgabe eines Gerichts, Spekulationen anzustellen, schon gar nicht in den Urteilsgründen und schon ganz und gar nicht über Sachverhalte, die gar nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Dieses Verhalten legt wiederum nahe, dass es wohl eher das Gericht war, das hier "jegliche professionelle Distanz verloren" hat, und zwar jegliche Distanz zur eigenen sensiblen Befindlichkeit. Man sollte sachlich bleiben, insbesondere, wenn man auf der Kanzel sitzt.
Was die Verteidigung angeht, so war sogar vom "Anfangsverdacht einer Straftat" die Rede. Es ist allerdings nicht kolportiert, von welcher Straftat hier die Rede sein soll und ob das Gericht wenigstens dies konkretisiert hätte. Nicht ganz klar ist auch, welches Verhalten der Verteidiger diesen angeblichen Straftatbestand erfüllt haben soll.
Bekannt ist aus der Presse, dass dem Hauptbelastungszeugen wohl durch die Verteidigung Geld angeboten wurde. Das mag jetzt den einen oder anderen verwundern, aber: Das ist nicht verboten. Im Gegenteil: Es kann zu einer effektiven Strafverteidigung dazu gehören. Viel mehr wissen wir vom Sachverhalt nicht und können daher auch nichts dazu sagen. Einem Richter, der dieses Verhalten in die Nähe der Strafbarkeit rückt, wäre aber wohl zuzumuten gewesen, die Anwesenden über seine rechtlichen Erwägungen zu informieren, denn nahe liegend ist seine Einschätzung nicht. Solche Erwägungen sind zumindest bei mir nicht angekommen.
Weiter ist bekannt, dass bei einem zwischenzeitlich aufgetauchten Entlastungszeugen Aufzeichnungen der Verteidigung aus der öffentlichen Sitzung gefunden wurden. Bericht des SPIEGEL findet sich hier. Aber, um Gisela Friedrichsen beim Wort zu nehmen: "Was hat das mit der Verteidigung zu tun?"
Die Verteidigung ist ganz augenscheinlich vom Lebensgefährten der Angeklagten beauftragt worden, Auftraggeber und Mandat(in) also sind verschiedene Personen. Aus dem Auftrag dürfte der Auftraggeber gegen die Verteidiger sogar einen Anspruch auf Überlassung der Mitschriften haben; dass sie sich in dessen Gewahrsam befanden, ist also kein Wunder, sondern fast eine Selbstverständlichkeit - zumal es sich um Aufzeichnungen aus einer jedermann zugänglichen Öffentlichen Hauptverhandlung handelte. Augenscheinlich spricht nichts dafür, dass die Verteidiger von der Weitergabe an den späteren Zeugen gewusst haben könnten, sonst hätte es der redselige Vorsitzende sicherlich erzählt.
Was bleibt, ist die Frage nach dem Sinn derartig spekulativer Anwürfe gegen Verteidiger und der - in der Urteilsbegründung! - unverhohlen ausgesprochenen Drohung, deren Verhalten der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu melden.
Deren Vorstandsmitglied und Vizepräsidentin sind die beiden Hamburger Verteidiger übrigens.
Dienstag, 9. August 2016
Keine Entscheidung
Die Gerichte sind ja bekanntlich überlastet. Dafür braucht man viel Arbeit. Ist trotz Überlastung nicht genug Arbeit da, kann man sich die Arbeit auch selbst machen. Wie das geht, zeigt anschaulich das Beispiel eines Rechtspflegers an einem Hamburger Amtsgericht:
Der Angeklagte ist freigesprochen worden, die Staatsanwaltschaft hat Berufung eingelegt und diese vor Begründung wieder zurückgenommen. Hier ist beim Rechtsanwalt eine Gebühr angefallen, deren Erstattungsfähigkeit - Burhoff sei Dank - mittlerweile auch weitgehend akzeptiert zu sein scheint.
Den Antrag auf Kostenfestsetzung und -erstattung lehnt der Rechtspfleger gleichwohl gekonnt ab mit der Begründung, es fehle die Kostengrundentscheidung des Gerichts. Das stimmt auch; der zuständige Richter hat sie schlicht vergessen. Was der Rechtspfleger verkennt: Das Gericht, das ist auch er selbst. Aber anstatt seiner Verpflichtung nachzukommen, einen Beschluss herbeizuführen - gegebenenfalls durch Vorlage der Akte beim zuständigen Richter - lehnt er lieber den Antrag des Rechtsanwaltes ab. Nach dem Motto: War ich gestern untätig, darf ich auch heute untätig bleiben.
Was folgt: Erinnerung, Beschwerde, Vorlage beim Richter, Beschluss des Richters. Nach nur knapp einem Jahr liegt jetzt die Entscheidung vor; die Kostenfestsetzung dauert fort. Was man in zehn Minuten rechtskonform hätte erledigen können, hat man so elegant auf ein Jahr Bearbeitungszeit gestreckt.
Und jetzt ist erst einmal Mittagspause.
Montag, 8. August 2016
Pauschal plausibel
Der Kollege Siebers meint, für schlechte Strafrichter scheine es schlechte Fortbildungen zu geben. Dort lerne man z. B, dass man die Wahrheit stets daran erkenne, dass sie nicht wie eine Lüge aussehe, weil der durchschnittliche Lügner ganz anders gelogen hätte. Ich habe das jetzt mal sehr verkürzt zusammengefasst.
Ich bin fest überzeugt, solche Fortbildungen gibt es tatsächlich. Dort wird unter anderem auch gelehrt, wie man seine auf keinen objektiven Grundlagen ruhende Überzeugung (§ 261 StPO), so begründet, dass sie rein zufällig stets die für den Angeklagten ungünstigste aller Möglichkeiten zu stützen vermag. Das Gericht muss seine unhaltbaren Überzeugungen - so sie rechtsmittelfähig sind - nämlich auch noch begründen (§ 34 StPO). Eigentlich stellt das natürlich einen ungehörigen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit dar, aber was muss man sich von der Politik nicht alles aufbürden lassen, so als Richter. Da muss man gegensteuern.
Das Zauberwort, auch den größten Unfug zu begründen, heißt "Plausibilität". Was einem nicht gefällt, ist einfach "nicht plausibel", was man gerne hätte, ist "nur auf diese Weise plausibel". Wann immer man dieses Signalwort im Plädoyer der Staatsanwaltschaft oder in der Urteilsbegründung hört, man kann mit Sicherheit davon ausgehen: Jetzt kommt bodenloser Unsinn.
Der (Entlastungs-)Zeuge will den Angeklagten zur Tatzeit andernorts gesehen haben? - Unplausibel. Warum sollte der Zeuge ohne Anlass ausgerechnet den Angeklagten erkannt haben? Außerdem ist er doch kurzsichtig.
Der (Belastung-)Zeuge will den Angeklagten erkannt haben, obwohl es Nacht war, er kurzsichtig ist und den Angeklagten niemals zuvor gesehen hatte? - Absolut plausibel. Schließlich hat der Belastungszeuge sich besondere Mühe gegeben, sich das Gesicht zu merken. Außerdem: Dunkel war es für den anderen ja auch. Und gerade Gesichter, die man noch nicht kennt, merkt man sich doch besonders gut.
"Plausibiliät" ist vor Gericht die Allzweckwaffe für alles, was sich sonst nicht begründen lässt, meist, weil es einfach auch nicht stimmt.
Achten Sie mal darauf.
Donnerstag, 4. August 2016
Cry Baby
Donald Trump hört sich gerne reden. Gar nicht gerne hat er es, wenn andere ihn dabei stören. Selbst, wenn sie sehr jung und unerfahren sind.
Nun wurde Donald Trump am Dienstag auf einer Wahlkampfveranstaltung von einem schreienden Säugling gestört, Aufnahmen seiner Reaktion plus einen schönen Kommentar gibt es im Guardian. Der Vorfall selbst gehörte eher zu den unbedeutenderen Ausfällen des Donald, sein Verhalten zeigt aber sehr schön, wie er tickt.
Er redet, das Kind schreit. Er nimmt das wahr und es stört ihn. Das ist zutiefst menschlich und ginge den meisten von uns kaum anders. Der sozialisierte Mensch wird dem ersten Impuls widerstehen, sich in das Schicksal fügen und - so gut es geht - einfach weitersprechen. Schon diese erste Stufe der Sozialisation schafft Donald Trump nur mit Mühe - er vermag nicht, das Geschrei einfach zu ignorieren, sondern thematisiert es sogleich. Das tut er auf die ihm eigene übertriebene Weise - er versichert, dass er Kinder und deren Geschrei liebe ("I hear that baby crying and I like it.") "Overdoing" nennt das der Engländer. Schon dabei versagt ihm die Mimik den Dienst, er guckt, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. Ein klassisches Lügensignal: Inhalt und Mimik passen nicht zu einander.
Als das Kind weiter schreit, wird Trumps Verhalten vollständig konfus: Er nimmt seine beschwichtigen Worte zurück ("Actually, I was only kidding") und "erlaubt" der jungen Mutter, den Saal zu verlassen, was aber mehr wie ein Befehl klingt ("You can get the baby out of here."). Auf dieser Stufe versagt dann auch sein Sozialverhalten endgültig: Er ruft der Frau vorwurfsvoll hinterher, dass Sie ihm seine vorherige Lüge offenbar geglaubt habe ("I think she believed me that I love having a baby crying while I'm speaking") und schließt mit einer Beleidigung, in die er gleich auch noch alle anderen einbezieht ("That's okay. People don't understand").
Man mag sich nicht vorstellen, wie dieser Mann reagiert, wenn ihm etwas Bedeutenderes widerfährt als ein schreiendes Kind im Publikum. Wird er seinen Colt ziehen? Oder gibt es den Zeitpunkt, in dem sein Ego zusammenbricht und er sich schreiend auf dem Boden wälzt?
Für einen Präsidenten wäre beides gleichermaßen unangebracht.
Aber viele Amerikaner scheinen ihn zu lieben.
Mittwoch, 3. August 2016
Tennispartner des Richters
In der Süddeutschen Zeitung arbeitet sich ein Hamburger Kollege einmal mehr an der sogenannten Pflichtverteidigung (eigentlich: notwendige Verteidigung, § 140 StPO) ab. Wenig überraschend ist, dass er das Auswahlverfahren - Bestellung durch den Richter - als verfassungswidrig ansieht, weil es gegen "elementare Grundsätze des modernen Rechtsstaates" verstoße.
Die Argumente sind altbekannt: Die richterliche Auswahl sei ein "Akt peinlicher Intransparenz"; der Richter könne heimlich, still und leise "ausschließlich seinen Tennispartner" beiordnen. Das ganze sei ein "institutionalisierter Interessenkonflikt"; es fallen die schönen Worte des "Urteilsbegleiters" und der "Beiordnungsprostitution".
Alles wohlfeil und richtig, die angebotene Lösung indes bleibt weit hinter diesen starken Worten zurück: eine dritte Instanz soll die Auswahl des Pflichtverteidigers übernehmen, genannt werden namentlich das Verwaltungsgericht und die Rechtsanwaltskammer. Ich finde diese beiden Beispiele wenig praktikabel und im Hinblick z. B. auf den Datenschutz auch rechtlich bedenklich; mich wundert, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, die ansonsten fast aufgabenlos gewordene Gerichtshilfe ins Spiel zu bringen.
Noch mehr wundert mich allerdings, dass stillschweigend vorausgesetzt wird, es müsse überhaupt immer eine "dritte Instanz" entscheiden. Warum überlässt man die Auswahl des Verteidigers nicht einfach denjenigen, die es angeht - den Beschuldigten? Das tut man bisher nur halbherzig: Dem - zumeist inhaftierten - Beschuldigten wird unter kurzer Fristsetzung (meistens zwei Wochen) ein schmaler Hinweis erteilt, er könne einen Verteidiger seiner Wahl benennen. Tut er dies nicht, bestellt das Gericht einen Verteidiger. Irgendeinen. Oder eben den Tennispartner des zuständigen Richters.
Statt den Beschuldigten derart zu bemuttern, sollte man vielleicht eher seine Motivation stärken, selbst einen Verteidiger zu beauftragen. So fehlt den schmalen Mitteilungen des Gerichts regelmäßig jeder Hinweis darauf, dass der Beschuldigte auch den Pflichtverteidiger bezahlen muss - wenn auch später und etwas versteckt im Rahmen der Verfahrenskosten. Viele Beschuldigte lassen sich Pflichtverteidiger allein deshalb bestellen, weil sie irrtümlich davon ausgehen, die Kosten übernähme ja sowieso der Staat. Rechtlich ist das falsch und faktisch stimmt es allenfalls in den Fällen, in denen der Staat die Kosten später nicht beitreiben kann, z. B. weil der Beschuldigte zahlungsunfähig ist.
Kaum nachvollziehbar und vielen Betroffenen schlichtweg nicht vermittelbar sind auch die Kriterien, unter denen das Gericht ihnen einen Verteidiger bestellt. Die meisten Menschen denken allenfalls folgerichtig, dies geschehe dann, wenn sie sich keinen Verteidiger leisten könnten. Auch das ist falsch, auch hierüber wird von Seiten des Gerichts niemals aufgeklärt. Grund für die Bestellung ist immer die Schwere des Tatvorwurfs, niemals die wirtschaftliche Situation des Beschuldigten.
Als Hauptproblem erweist sich somit nicht die Auswahl, sondern das Geld.