Freitag, 28. Januar 2011

Nicht vom Internat, vom Segelschiff reden wir!

Menschen sollen auf engstem Raum gefoltert worden sein. Vorgesetzte sollen ihre Schutzbefohlenen regelmäßig sexuell misshandelt haben. Es ist sogar zu Todesfällen gekommen, mutmaßlich weil Vorgesetzte ihre Untergebenen systematisch drangsaliert haben.

So etwas ist beispielsweise in katholischen Internaten reihenweise vorgekommen. Aber das ist lange her, deswegen kann man sich jetzt in Ruhe darüber empören. Da hätte man doch sofort etwas tun müssen, damals, sagen alle. Es könne doch nicht sein, dass das niemand gemerkt haben will. Und so weiter.

Vieles spricht nun dafür, dass derartige Missstände auch bis in die jüngste Vergangenheit geherrscht haben, bei der Bundesmarine, auf dem Segelschulschiff Gorch Fock. Immer mehr Details kommen ans Licht, und diesmal nicht erst Jahrzehnte später, sondern noch zu Lebzeiten der mutmaßlichen Missetäter.

Da muss man doch was tun, sollte man meinen. Das kann doch nicht sein. Das muss man doch aufklären! Denn eins ist klar: Wenn nur ein Teil der Informationen zutreffen, müssten die Verantwortlichen empfindliche Strafen fürchten. Komischerweise scheinen das nun auch wieder nicht alle so zu sehen. Ein Altkanzler rügt die vorläufigen Maßnahmen des verantwortlichen Ministers.

Das verstehe, wer will.

Nichts zu beweisen

Zivilklage. Einer hat für den anderen etwas bezahlt, der andere hat es verbraucht. Der eine will von dem anderen den Kaufpreis erstattet haben, der andere zahlt nicht. Der eine verklagt den anderen, und jetzt stehen wir vor Gericht. Ich vertrete den einen.

Das ist eigentlich ein Selbstgänger, könnte man denken. Aufwendungsersatz aus Auftrag, § 670 BGB, notfalls - bei nicht nachweisbarem Auftrag - identischer Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, § 683 BGB. Ganz einfach. Grundstudium, zweites Semester. Hätte ich solch einen Sachverhalt als Vertreter des Beklagten, ich könnte gar nicht so schnell gucken, wie das Gericht meinen Mandanten verurteilen würde.

Ganz anders allerdings, wenn ich den Kläger vertrete, der einfach nur sein Geld zurück möchte. Es kommt nämlich ein Hinweis des Gerichts: Wir hätten die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass mein Mandant der Gegenseite keine Schenkung gemacht hätte. Auf sowas kann man eigentlich nur kommen, wenn man sämtliche Grundprinzipien des Zivilprozessrechts nicht verstanden hat.

Warum ist so ein Richter nicht auch einmal zuständig und macht solchen Unfug, wenn mein Mandant in aussichtsloser Position ist? Warum sind die Doofen immer auf der Seite der anderen? Why does it always rain on me?

Donnerstag, 27. Januar 2011

Was man Fußballprofis antut

Das aktuelle Unwort des Jahres heißt "alternativlos" und ist eines der Lieblingswörter der Kanzlerin. Für die Wahl zum nächsten Unwort des Jahres bewirbt sich jetzt Rodger Linse. Der ist nicht ganz so berühmt wie die Kanzlerin, dafür verdient er mehr Geld. Rodger Linse ist nämlich FIFA-Spielerberater und berät und vertritt insbesondere holländische Spieler wie den Ex-HSV-Profi Nigel de Jong oder die aktuellen HSV-Spieler Joris Matthijsen und: Ruud van Nistelrooy.

Über eben den berichtet Herr Linse jetzt, der HSV wisse gar nicht, was er dem armen Ruud "antue". Bei dem Wort "antun" schreckt man auf und vor dem geistigen Auge erscheint sogleich das Bild von Müttern, denen man die Kinder weggenommen hat, von gequälten Kreaturen und leidenden Menschen.

Aber wir können aufatmen: Der HSV quält den armen Ruud gar nicht. Er besteht lediglich darauf, dass der gepeinigte Altstar gegen ein Jahressalär von geschätzten 4.000.000.00 EUR für Hamburg Fußball spielt. Wo Ruud doch auf seine alten Tage noch einmal die Luft der großen weiten Welt schnuppern will und um einen Wechsel zu den Königlichen von Real Madrid kämpft. Aber sein böser Verein pocht auf die Einhaltung seines Vertrages.

Wenn man das hört, möchte man sofort in die Welt der Fußballberater wechseln, eine Welt, in der die Einhaltung eines mit vier Millionen dotierten Vertrags bereits als Qual empfunden werden kann.

Trotzdem ist "antun" kein aussichtsreicher Kandidat für das nächste Unwort. Es gibt nämlich noch Schlimmeres.

Dienstag, 25. Januar 2011

Fernab von Mannheim

Fernab von Kachelmann, im eher beschaulichen Hannover, fand bis gestern ein Strafverfahren statt, dass von den Pressen mit weit weniger Aufmerksamkeit verfolgt wurde - obwohl es sogar vor dem Schwurgericht stattfand und vor kurzem auch bereits den 50. Verhandlungstag erlebte.

Auch das Sujet ist eigentlich weit interessanter als die Frage, ob Kachelmanns Sexspiele freiwilliger Natur waren oder vielleicht doch nicht. Denn es ging um Leben um Tod: Der Ärztin Dr. Mechthild Bach wurde vorgeworfen, unzählige, teilweise gesunde Patienten durch die Gabe von Morphium und Valium zu Tode gebracht zu haben. Ermittelt wurde in diversen Fällen, von denen etwa ein Dutzend zur Anklage gekommen sind; Verdachtsmomente seitens der Klinik sollen in über hundert Fällen bestanden haben. Die Sterberaten im Zuständigkeitsbereich der Ärztin sollen jedenfalls über Jahre hinweg auffällig hoch gewesen sein; auf den Vorgang aufmerksam geworden ist wohl erstmals die AOK.

Es mag auch ein Verdienst der Verteidigung sein, dass dieser Prozess sein Dasein vergleichsweise im Schatten geführt hat. Jetzt ist der Prozess zu Ende gegangen; einzustellen wegen des Todes der Angeklagten.

Mechthild Bach hat sich nach Presseberichten - z. B. der Bild - selbst eine tödliche Infusion gelegt. Zuvor hatte das Schwurgericht wohl einen Hinweis erteilt, dass auch eine Verurteilung wegen Mordes in Betracht komme. Möglicherweise hätte die Verhaftung gedroht. Ihr Verteidiger hat mittlerweile eine Erklärung abgegeben, dass der Freitod nicht als Schuldeingeständnis zu werten sei.

Was bis dahin ein interessantes Strafverfahren war, wird durch das Ende zur Tragödie.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Zivilprozess nackt

Zivilprozess, eng terminiert: Wir drinnen, die nächsten warten schon draußen.

Während wir verhandeln, betritt der Kollege in der nächsten Sache den Raum und fragt, wie lange es wohl noch dauere. "Nicht mehr so lange", erwidert der Richter und fährt fort: "Sie können sich draußen ja schon mal vergleichen."

Ja ja, so läuft's.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Chance vertan

Dem Hamburger Medienrechtsanwalt Matthias Prinz ist es nicht gelungen, die Ausstrahlung einer Panorama-Reportage über den AWD-Gründer Carsten Maschmeyer zu verhindern. Der Handelsvertreteblog berichtete hier. Den dazugehörigen Film gibt es hier und der Kollege Kompa äußert sich hier.

Wenn Kollege Prinz und sein Mandant allerdings gesehen haben sollten, was dort ausgestrahlt wurde, werden sie sich über ihren juristischen Misserfolg kaum mehr grämen. Es wäre sicherlich eine Herausforderung gewesen, das Phänomen Maschmeyer zu hinterfragen, die Panorama-Reportage hat diese Chance voll vergeigt.

Man sieht einen pseudo-empörten Redakteur, der versucht, ein Interview zu bekommen, das er erkennbar gar nicht haben will - sonst könnte man ja nur halb so schön über die Zielscheibe der Reportage herziehen. Diese aufdringliche und dümmlich-naive Art treibt den Zuschauer über die Dauer des Films zu etwas, dass er kaum je erwartet hätte: Man empfindet Verständnis für den Protagonisten, der keine Lust hat, sich fünf Minuten vor einem Auftritt von einem nassforschen Berufsempörten anpampen zu lassen.

Was hätte man über das Prinzip des Strukturvertrieb in 30 Minuten nicht alles Kritisches sagen können: alles verschenkt. Man belässt es stattdessen dabei, zwei weinende AWD-Kunden zu zeigen, die sich auch nicht erklären können, warum sie damals diese komischen Fonds gekauft haben, obwohl sie die doch gar nicht verstanden hatten. Muss wohl eine Art Blackout gewesen sein. Oder war es doch nur die schiere Gier?

Eine davon möchte sogar der Vroni einen Brief schreiben und ihr erzählen, was ihr Maschi für einer ist. Und auch Walter Riester mag sich nicht vor laufenden Kameras vorführen lassen. Welch Wunder.

Sorry ARD: Das war echt nur peinlich.

Montag, 3. Januar 2011

Kachelmann für befangen erklärt!

Am Wochenende wurden in der Presse des öfteren die "Nachrichten aus Neubrandenburg" mit der Nachricht zitiert, dass das Landgericht Mannheim seinen Angeklagten als befangen ablehnen wolle , um ihn aus dem Verfahren zu entfernen.

"Eine sinnvolle Zusammenarbeit mit Herrn Kachelmann zum Zwecke seiner Aburteilung ist unmöglich, da zwischenzeitlich jedes Vertrauen fehlt" heißt es wohl in dem Originaltext, den z. B. die Welt hier wiedergibt. Die Glosse muss man als außerordentlich gelungen bezeichnen, zumal sie eine Einstellung gegenüber Strafverfahren karikiert, wie sie in deutschen Gerichten häufiger vorzukommen scheint.

Bei der Strafjustiz scheint man - weit öfter als man ohnehin befürchten muss - der Auffassung zu sein, ein Angeklagter müsste sich alles gefallen lassen, wenn es nur seiner zügigen und kritiklosen Aburteilung diente. Nur mit solch einer Wahrnehmung lässt sich dann auch mühelos jede Berufung auf prozessuale Rechte als "Verschleppung" bezeichnen.

Dabei übersehen manche Richter völlig, dass es ein totsicheres Mittel gibt, einen Angeschuldigten aus dem Verfahren zu entfernen: Indem man nämlich die Anklage gegen ihn nicht zulässt und die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt.

Anlass hierzu gibt es nicht nur im eingangs zitierten Verfahren häufig genug.