Mittwoch, 8. Februar 2012

Keine Grammatik in Jenfeld

Jenfeld ist ein Stadtteil  an der nordöstlichen Stadtgrenze Hamburgs. Es gibt dort eine Autobahnabfahrt. Und ein Haus. In dieses Haus sollen Menschen einziehen, Menschen, die einen Großteil ihres bisherigen Lebens wegen schwerer Straftaten in Haft und anschließend in Sicherungsverwahrung verbracht haben. Nun sind sie frei. Und sollen nach Jenfeld ziehen. Einen schönen Hintergrundbericht dazu gibt es hier.

Aber die Jenfelder wollen nicht, dass ehemalige Sicherungsverwahrte in ihre Nachbarschaft ziehen. Die könnten ja gefährlich sein. Oder kriminell. Oder gewesen. Oder überhaupt. Seit der Hamburger Senat die Ansiedlung der ehemaligen Sicherungsverwahrten beschlossen hat, versammeln sich daher regelmäßig Anwohner, um dagegen zu protestieren. Ihr Stadtteil soll schließlich sauber bleiben. Die Jenfelder tragen selbstgebastelte Schilder um den Hals, auf denen steht in schönstem falschen Deutsch: "Keine Sicherungsverwahrte nach Jenfeld!". Wer es nicht glaubt: Ein Photo davon gibt es hier.

Das ist leider auch das Niveau, auf dem ein Großteil der Debatte um die Sicherungsverwahrung verläuft. Wenn es darum geht, Menschen "wegzusperren", sind alle stark dafür - wenn es aber darum geht, diese Menschen anschließend wieder zu resozialisieren, will keiner etwas damit zu tun haben. Im Englischen gibt es für diese unangenehmen Menschen einen eigenen Ausdruck: NIMBY. Das steht für "Not In My Back Yard"

Schon gar nicht in Jenfeld.

15 Kommentare:

  1. Eigentlich sollte ein Jurist sich zumindest soviel Zeitungsleserwissen aneignen, dass er mitbekommt, worum es hier geht: nämlich um Leute, die in der Tat bis zuletzt als gefährlich eingestuft worden sind (sie werden ja nicht wegen Ungefährlichkeit aus der Sicherungsverwahrung entlassen, sondern wegen durchgreifender Bedenken gegen die Rechtsgrundlage). Soviel zum "Niveau" in diesem Blog, von der Orthographie ganz zu schweigen.

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    1. Wir in Jenfeld leben hier seit Mitte Januar mit den neuen Nachbarn. Worum es uns hier wirklich geht, das können Sie gerne hier nachlesen:

      http://www.wohnen-auf-eigene-gefahr.de/

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  2. Vielleicht meint der Herr mit dem Schild eine einzige weibliche Sicherungsverwahrte...

    Sind mit "unangenehmen Menschen" eigentlich die Sicherungsverwahrten gemeint, Herr Nebgen?

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  3. Es ist immer eine schwierige Diskussion. Einerseits sind diese Leute frei. Rein juristisch muss man sie dann so behandeln als wären sie Menschen wie du und ich. Aber in der Realität gibts zwischen freien Menschen riesige Unterschiede. Es gibt freie Menschen, die wegen mangelnden Beweisen freigesprochen worden sind, vielleicht sogar 10fach von der Anklage des sexuellen Missbrauchs an Kindern... ihn würde ich ungern als Nachbarn haben wollen wenn ich Kinder hätte. Natürlich kann der 10fache Freispruch bedeuten dass er 10mal nichts getan hat. Kann aber auch bedeuten, dass er 10mal genau wusste, wie er vorzugehen hat, wie man Beweise verschwinden lässt, oder wie man einen verdammt guten Anwalt bekommt. Das Risiko besteht. Genauso ist es hier, die Rechtsgrundlage für die Sicherungsverwahrung fällt weg. Rein rechtlich ist der Mensch dann frei, man hat nichts gegen ihn in der Hand, wenn es nicht einmal Therapie, Auflagen o.ä. gibt, gilt er sogar als Resozialisierter. Aber von der Realität kann das manchmal stark abweichen, und DIESE SEITE muss man auch als Jurist manchmal verstehen lernen.

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  4. Herr Nebgen, ich schlage vor, Sie stellen sich vor das Hamburger Rathaus, bekleidet mit einem T-Shirt, auf dem steht PIMBY ("Please in my Back Yard") oder PUMKAH ("Please um my Kanzlei herum"). Die Bürgerschaft freut sich bestimmt über alternative Unterbringungsmöglichkeiten. Und da Sie ja hinreichend Verständnis zu haben scheinen, könnte man die Leute doch bei Ihnen einquartieren.

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    1. ...ungeheuer niveaulos, dieser Beitrag, es lebe der Populismus

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  5. Wie ich sehe ist der Bequemlichkeitsmob wieder gut vertreten in Deutschland. Aus den Augen aus dem Sinn. Am besten alle für immer wegsperren. Die werden schon irgendwas getan haben. In Sicherungsverwahrung kommen nur die ganz üblen Soziopathen ... Am besten gleich alle aufhängen, so ein Prozess ist doch auch viel zu teuer.

    Wenn ihr wenigstens Eier hättet, würdet ihr ganz offen eine Abschaffung unseres Grundgesetzes, weiter Teile des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und überhaupt der FDGO fordern. Natürlich nicht unter 'Anonym' oder 'Gast'.

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  6. Wie gesagt, ich möchte einen Familienvater mit 3 Töchtern im Alter von 7, 12 und 15 sehen, der freiwillig neben 3 frisch aus der Untersuchungshaft entlassene Sexualstraftäter zieht ohne die geringsten Bedenken zu haben.

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  7. Die Gruppe, die sich gegen die Einrichtung aufstellt, übersieht, daß es eine auch nur annähernd komplette Sicherheit nicht gibt. Im übrigen gibt es über die vermeintliche Gefährlichkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen stapelweise Untersuchungen, so z.B. von Prokop. Ich lebe in einer rheinischen Großstadt, in der die Bedrohungslage für den Durchschnittsbürger eher gering ist. Trotzdem wird bereits seit mehr als 20 Jahren das Thema Kriminalität und Polizeipräsenz so diskutiert, als ob hier der offene Bürgerkrieg herrscht. Mich überzeugen die Demonstrationen nicht.

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  8. @Peter N.

    Natürlich haben Eltern Bedenken, das dürfen und sollen sie auch. Sie haben ja - zur Zeit, als ich das erste Mal kommentierte - als einziger einen differenzierenden Kommentar abgegeben.

    Wir müssen uns darüber im Klaren sein, was für eine Gesellschaft wir wollen, eine repressive mit scheinbar hoher Sicherheit oder eine freiheitliche.

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    1. Das ist natürlich richtig. Irgendwo muss auch die Grenze zwischen Verwahrt und Frei gezogen werden und im besten Fall sollten freie Menschen auch so behandelt werden, als seien sie Menschen wie ich und du. Bestes Beispiel Kachelmann, der auf jeden Fall trotz Freispruches (und der Aussage dadurch, er hat sich nichts kriminelles geleistet) wohl immer diese dunkle Wolke über sich tragen wird. Man muss diese Leute wie freie Menschen behandeln. Ich sage nur, dass ich diejenigen auch verstehen kann, INSBESONDERE wenn es um Sicherheitsverwahrte geht, die bei Entlassung als Gefährlich eingestuft werden, und bei denen es für die Verwahrung nur an der gerade weggefallenen Rechtsgrundlage fehlt!

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  9. Wer ein "normales" Leben für die ehemals Sicherheitsverwahrten verlangt, sollte bedenken, dass diese das normale Leben von Menschen vielfach zerstört haben.

    Wer andere Leben zerstört. darf nicht damit rechnen, dass ihm noch viel Sympathier zuteil wird.

    Schliesslich handelt es sich bei diesen ehemals Sicherheitsverwahrten nicht einfach um Taschendiebe, sondern um Gewalttäter.

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  10. @Sica

    Die meisten Banalitäten, die Sie da abgeben, sind eines Kommentares nicht wert. Allerdings würde ich gerne eine Kleinigkeit an Faktenkorrektur anbringen: In Sicherheitsverwahrung sind durchaus nicht nur Gewalttäter, dort finden sich auch Menschen, die bsplw. mehrfach Banken überfallen haben - ohne Gewalteinsatz. Auch Heiratsschwindler wurden dort schon eingesteckt.

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  11. Banküberfälle, ganz gewaltfrei? Wie geht denn das? Es sei denn, die lieben Bankangestellten haben den Bankräubern ganz freiwillig ganze Geldsäcke in die Hände gedrückt...Und da konnten die natürlich nicht nein sagen...

    Da dies hier aber der Blog eines Rechtsanwaltes ist, der sich darauf spezialisiert hat, Straftäter vor Gericht möglichst glaubwürdig zu vertreten, denke ich mal, dass man sich hier einfach seine Klientel schön redet.

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    1. Wir wären dann jetzt also gerutscht von übler, meist serieller Vergewaltigung kleiner Kinder zu vager Bedrohung mit Spielzeugpistole [oder Finger oder was immer]. Dazu lassen sie den Heiratsschwindel - der so etwas wie das Gegenteil einer gewalttätigen Tat ist - komplett verschwinden, statt uns den noch schlecht zu reden. Stattdessen faseln Sie eine intentional fallacy herbei.

      Meiner Erfahrung nach, die auch nicht massgeblich ist, haben Strafverteidiger eine eher schlechte Meinung über ihre Mandanten. Aber das alles tut gar nichts zur Sache.

      Wir haben ein Rechtssystem, das JEDEM Rechtssicherheit garantieren soll. Auch Verdächtigen, ja sogar Verurteilten. Wer seine Schuld gegenüber der Gesellschaft abgesessen hat, hat ein Anrecht darauf in dieser Gesellschaft frei leben zu dürfen.

      Die Gefährlichkeit eines Täters geht nicht notwendigerweise vom Grad angewandter Gewalt in einem Fall aus, sondern leitet sich aus wahrscheinlicher Wiederholungsgefahr her. Ach ja, und wenn die aus neurologischer/psychologischer Erkrankung herrührt, gehört der Verurteilte nicht in den Knast*, sondern in entsprechende Behandlungsinstitutionen.


      *in den Sicherheitsverwahrte auch nicht gehören, wenn wir unter Knast die üblichen Einschränkungen neben dem Freiheitsentzug verstehen.

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